Birdwatchers

Zum Vergrößern klicken

Die Zerstörung des Regenwalds in Brasilien und mit ihm die Lebensgrundlage der Indianer sind aus der öffentlichen Wahrnehmung fast verschwunden. Marco Bechis versucht dies mit seinem Film zu ändern, bedient sich dazu einer etwas didaktischen Erzählung, in der Tradition und Moderne, weiße Farmer auf Indianer treffen. Vor allem in seinen fast dokumentarischen Momenten, seinen eindrucksvollen Bildern überzeugt sein Film dagegen sehr.

Webseite: www.pandorafilm.de

Italien 2008
Regie: Marco Bechis
Buch: Marco Bechis, Luiz Bolognesi
Darsteller: Abrisio da Silva Pedro, Alicelia Batista Cabreira, Ademilson C. Verga, Ambrosio Vilhalva, Claudio Santamaria
Länge: 108 Minuten, Format: 1:1,85
Verleih: Pandora Film
Kinostart: 16. Juli 2009
 

PRESSESTIMMEN:

Ein Film, der unter die Haut geht. Starkes Kino!
ZDF Heute-Journal

FILMKRITIK:

Ein starker Beginn: Touristen gleiten auf einem kleinen Boot einen Fluss entlang, aufmerksam beobachten sie das Ufer, auf der Suche nach Vögeln und „Eingeborenen.“ Schließlich sehen sie sie: Eine Gruppe Indianer, bekleidet nur mit einem Lendenschurz, Speere in der Hand, die effektvoll in Richtung Boot geschleudert werden. Dann sind die Touristen verschwunden, die Indianer ziehen von dannen, durch den Wald – zu einem parkenden Truck. Sie ziehen sich T-Shirts und Turnschuhe an und bekommen ihren Lohn. Sie waren gemietet, zum Vergnügen der Touristen, die einen Blick auf das urtümliche Leben im Amazonas-Dschungel werfen wollten.

In diesen ersten fünf Minuten ist eigentlich alles gesagt, aber natürlich geht der Film erst richtig los. Die Indianer leben in einem Reservat, abgeschieden von der Welt, halten sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, folgen ihren Traditionen und sind doch von den Verheißungen der Zivilisation angezogen. Doch das karge Leben, die ständigen Diskriminierungen durch die meist weißen Großgrundbesitzer, die immer mehr Urwald roden und den Lebensraum der Ureinwohner weiter beschneiden, fordern einen hohen Preis: Immer wieder verüben oft junge Indianer Selbstmord, erhängen sich im Wald.

Doch nun hat Nadio, der Anführer des Stammes, genug davon. Zusammen mit einer kleinen Gruppe verlässt er das Reservat und zieht neben das Feld des Großgrundbesitzers Moreira. Dort war einst das Kernland des Stamms, ihre spirituelle Heimat, doch die ist längst der Zivilisation zum Opfer gefallen. Nadio will das Schicksal der Indianer an die Öffentlichkeit bringen, Moreira sein Land mit allen Mitteln verteidigen, der Konflikt zweier Lebensformen ist unausweichlich.

Direkt neben dem brachliegenden Feld beginnt der Dschungel, eine Grenze, die für Bechis die Essenz des Konflikts symbolisiert. Besonders der junge Indianer Osvaldo ist zwischen den Welten hin- und her gerissen. Einerseits besitzt er die Fähigkeit, in seinen Träumen in die Zukunft zu blicken und soll deswegen zum Schamanen geschult werden. Andererseits lernt er die hübsche Tochter Moreiras kennen, die ihm Motorradfahren beibringt und ihm einen Blick in eine fremde Welt ermöglicht.

Leider ist das nicht besonders subtil geschildert, werden die Konflikte zwischen Tradition und Moderne, vor allem aber die Scheinheiligkeit der Weißen allzu offensichtlich gezeigt. Die liegen am Pool und lassen sich von indianischen Angestellten bedienen, mieten sie – wie zu Beginn gesehen – als Fotomaterial für Touristen, wollen aber nichts von ihrem Lebensstil aufgeben. Wirklich Neues fällt Bechis zum Thema nicht ein, aber da es ihm gelingt, Altbekanntes in eindrucksvolle, bisweilen dokumentarisch wirkende Breitwandbilder zu verpacken, sieht man gerne darüber hinweg. Die Reichhaltigkeit und Schönheit des Regenwaldes war selten so überzeugend auf der Leinwand zu sehen wie in „Birdwatchers.“

Michael Meyns

Brasilien. Die suggestive Darstellung eines alten, schwer lösbaren Problems.

Jahrhunderte lang lebten die Indio-Stämme im Regenwald. Sie ernährten sich von dem, was der Wald hergab, kleideten sich mit den Fellen der erlegten Tiere, bauten ihre Hütten aus dem überreichen Holzbestand. Sie verehrten ihre Götter und ihre Ahnen.

Dann kamen vor Jahrzehnten die weißen Siedler. Riesige Waldflächen wurden abgeholzt, Acker- und Weideland geschaffen. Zwar sind dadurch wichtige und nötige Nahrungsmittel produziert worden – aber auch die Indios aus ihren Lebensräumen vertrieben und in Reservate gesteckt.

Das kärgliche und aussichtslose Leben treibt Ureinwohner in den Selbstmord. Hier wird die Geschichte von Guarani-Indianern erzählt, die durch den Selbstmord zweier junger Mädchen dazu getrieben werden, den Aufstand zu wagen. Sie brechen unter der Führung von Nadio auf, Land, das ihnen einst gehörte und in dem ihre Ahnen begraben liegen, wieder zu besetzen.

Der Konflikt mit den Großgrundbesitzern ist damit programmiert.

Die Indios lassen sich nicht mehr vertreiben. Es kommt zu Kompromissvorschlägen, zu Angeboten an die Indios, für (wenig) Geld auf den Zuckerrohrplantagen arbeiten zu können, zu der flüchtigen aber aussichtslosen Begegnung und Berührung zwischen dem angehenden Schamanen Osvaldo und Maria, der Tochter eines der Farmer.

Doch der Konflikt ist nicht lösbar. „Eine Kobra ist eine Schwester, eine Kuh ist eine Feindin“, sagen die Indios, während die Kinder der Siedler die Indianer für Menschenfresser halten.

Schließlich kommt es zum Aufstand der „Bewegung“, zum Kriegspfad, aber auch zu Verrat, zu Mord – und weiteren Selbstmorden.

Es ist ein durchaus eindringlicher Doku-Spielfilm, der vom unmenschlichen Leben der Indios erzählt, ihre ausgeprägten Eigenarten schildert, den schier unentwirrbaren Konflikt beschreibt, zur Hilfe auffordert, einen nachdenklichen, eher traurig-depressiven Eindruck hinterlässt, zum Suchen einer Lösung antreibt – und von wunderbarer Musik aus dem 17. Jahrhundert unterlegt ist.

Thomas Engel