Crimes of the Future

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Acht Jahre sind vergangen, seit David Cronenberg seinen letzten Film „Maps to the Stars“ präsentierte. Mit „Crimes of the Future“ kehrt er nun zu den Wurzeln seiner Karriere zurück und das mit einem Titel, den er schon für einen Studentenfilm im Jahr 1970 genutzt hat – die Geschichten sind jedoch gänzlich unterschiedlich. Hier erzählt Cronenberg eine dystopische Bodyhorror-Geschichte um einen Mann, der die Veränderungen seines Körpers zur Performance Art gemacht hat.

Webseite: https://www.weltkino.de/filme/crimes-of-the-future

Crimes of the Future
Kanada / Großbritannien / Griechenland 2022
Regie: David Cronenberg
Buch: David Cronenberg
Darsteller: Viggo Mortensen, Lihi Kornowski, Léa Seydoux, Scott Speedman, Kristen Stewart

Länge: 107 Minuten
Verleih: Weltkino Filmverleih
Kinostart: 10. November 2022

FILMKRITIK:

Die Zukunft: Es gibt kaum noch Menschen, die Schmerz empfinden. Immer mehr von ihnen entwickeln neue Organe, deren Fähigkeiten unklar sind. So auch Saul Tenser (Viggo Mortensen), ein Performance-Künstler, der mit seiner Partnerin Caprice (Léa Seydoux) das Entfernen dieser Organe zur avantgardistischen Show gemacht hat. Damit erregt er die Aufmerksamkeit der Organ-Registrierungsbehörde und eine mysteriöse Untergrundorganisation beginnt auch, sich für ihn zu interessieren. Saul wird schließlich das Angebot für die Schockierendste aller Vorstellungen unterbreitet. Geht er darauf ein?

Dies ist das erste Drehbuch, das Cronenberg seit seinem Science-Fiction-Film „eXistenZ“ geschrieben hat. Es kehrt zu den Wurzeln seines Schaffens zurück, rückt den Körper als transformatives Mittel des Schreckens in den Mittelpunkt. Kurz: Dies ist Bodyhorror, wie ihn im Grunde nur David Cronenberg ersinnen kann. Während er noch das Motto „Körper ist Realität“ ausruft und mit „Chirurgie ist der neue Sex“ eine sexuelle Komponente einbaut, die mit dem Fetisch-Gedanken von „Crash“ korreliert, entwickelt er eine Geschichte, die anmutet wie die Kulmination seines Werks.

Denn Cronenbergs Schaffen kann man in zwei Phasen unterteilen. Der Bodyhorror der Jahre 1975 bis 1986 und die intimen Dramen der Jahre 1987 bis 2014. „Crimes of the Future“ vermengt beides nun auf eine Art, deren konzeptionelle Schönheit man bewundern muss. Aber die inhaltliche Schwere mach es dem Zuschauer nicht leicht. Cronenberg hat keinen Unterhaltungsfilm erschaffen – in keiner Definition des Wortes. Er befasst sich mit eigenen Obsessionen, mit abseitigen Ideen, mit der Frage danach, wie die menschliche Evolution voranschreiten kann. Und das macht er auf eine visuell ansprechende, inhaltlich jedoch langatmige Art. Es ist nicht leicht, bei „Crimes of the Future“ bei der Stange zu bleiben.

Effektiv sind es die Ideen, die das Interesse des Zuschauers halten, ebenso die filigranen Darstellungen aller Beteiligten, aber auch die Bilder, die man so noch nie gesehen hat (der „Stuhl“, auf dem Viggo Mortensens Figur isst). Das alles wird zu einer durchaus faszinierenden, aber nicht leicht goutierbaren Melange, die vor allem Fragen zurücklässt. Der Film ist auch so etwas wie ein Diskurs über Körper-Optimierung und -Verschönerung, aber auch über die Krankheiten, die ihn dahinraffen. In der Welt von „Crimes of the Future“ sind alle krank, und nur jemandem wie Saul Tenser ist es gelungen, die Rebellion seines eigenen Körpers zu kontrollieren, indem er ihn zu einem Werkzeug seiner Kunst macht. Vielleicht, nur vielleicht, funktioniert Cronenbergs Verstand ähnlich. Möglicherweise kann er die Bilder in seinem Kopf nur kontrollieren, indem er ihnen Form gibt. Und wie Saul Tenser lässt er den Zuschauer daran teilhaben.

 

Peter Osteried