Death of a Ladies’ Man

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Er war der letzte Poet der Popkultur, der Womanizer mit der tiefen Stimme, der melancholische Songwriter, der ganze Generationen beeinflusste, rastlose Seele und schillernde Persönlichkeit zugleich. Leonard Cohen gilt als Jahrhunderttalent aller Zeiten. Der kanadische Regisseur Matt Bissonnette widmet den Liedern seines berühmten Landsmann, Dichter und Troubadour eine weitere Hommage. Dabei avancieren Cohens Song fast zur zweiten Hauptrolle seiner tiefsinnigen Groteske um den Mythos eines unwiderstehlichen Frauenhelden und lustvollen Trinkers. Der irische Schauspieler Gabriel Byrne meistert diese Rolle sehenswert.

Website: www.mfa-film.de

Kanada, Irland 2020
Regie: Matt Bissonnette
Drehbuch: Matt Bissonnette, Bobby Theodore
Darsteller: Gabriel Byrne, Jessica Paré, Brian Gleeson, Antoine Oliver Pilon, Karelle Tremblay, Suzanne Clement.
Länge: 101 Minuten
Verleih: Filmverleih MFA, Vertrieb: Die Filmagentinnen
Kinostart: 7.4.2022

FILMKRITIK:

Eigentlich vergass er auf dem Weg zum Flughafen nur seine Brieftasche. Doch als Samuel O’Shea (Gabriel Byrne), ein trinkfester Frauenheld, noch mal seine Wohnung betritt, überrascht er seine junge Frau in Flagranti. Seitensprünge sind eher sein Metier. „Mit wie vielen Frauen hast du in unserem Bett geschlafen?“ fragt die deutlich jüngere Lebensgefährtin den sprachlosen Casanova. Ein Wort ergibt das Andere. Und die Scheidung seiner zweiten Ehe ist nur noch eine Frage der Zeit.

Der Universitätsprofessor für Lyrik und intellektuelle Bohémien aus Quebec hat schon bessere Tage gesehen. Doch die Dinge spitzen sich zu. Und sein Leben gerät mehr und mehr aus den Fugen.Sein erwachsener Sohn Layton (Antoine Olivier Pilon), ein begeisterter Hockeyspieler ist wenig erstaunt über sein Scheitern. Und Samuel der notorische Charmeur flirtet selbst bei diesem Treffen nebenbei mit der jungen Lady am Tresen. Dass Layton ihm anvertraut, dass er schwul sei, bekommt er gerade noch mit. Die Entfremdung zwischen ihnen ist spürbar.

Und auch seine Tochter Josée (Karelle Tremblay) geht längst ihre eigenen Wege. Schließlich hat Samuel sich in der Vergangenheit wenig blicken lassen. In seiner nächsten Vorlesung verliert Samuel völlig die Fassung. Plötzlich verwandelt sich der Hörsaal. Und seine Studenten zelebrieren ausgelassen eines von Leonard Cohens Gedichten „The Music Crept by us“. Mit Papphüten auf dem Kopf und Konfettis feiern sie einen lyrischen Silvesterabend. Aber es kommt noch ärger. Surreale Halluzinationen verfolgen ihn.

Er sitzt neben Frankensteins Monster in der Bar. Und die Bedienung im Restaurant, in dem er sich mit seiner Tochter trifft, trägt einen Tigerkopf. Begleitet von Cohen´s Song stolpert er durch sein Leben. Angefangen von „Bird on a wire“ über den Song „Anthem“, mit den Versen “There is a crack in everything, that’s how the light gets in” bis hin zu „Halleluja“, dessen Liedtext mit jüdischen, christlichen und buddhistischen Motiven spielt. Poetische Bilder, die sich nie ganz öffnen. Samuel beginnt seinen Dämonen gegenüberzutreten.

Vor allem als ihm sein jung gestorbener Vater (Brian Gleeson) erscheint und eine erhellende Zwiesprache beginnt. Nachdem er zu den Anonymen Alkoholikern findet bewältigt er seine verworrene Situation nüchtern. Am Scheideweg zieht sich Samuel in ein altes, irisches Cottage aus dem Familienbesitz zurück. Er beginnt den großen Roman zu schreiben, den er schon ewig plante. Dass er sich hier draußen, fernab der restlichen Welt, wider Erwarten in eine neue Frau (Jessica Paré) verliebt, kommt für ihn völlig überraschend. Charlotte stammt wie er aus Montreal und liest begeistert Leonhard Cohens Kultroman „Beautiful Losers“. Doch Samuels Reise ist noch nicht zu Ende.

Regisseur Matt Bissonnette verzahnt surreale Fantasy-Elemente und jede Menge schauspielerisches Können gelungen ineinander. Losgelöst vom grotesk surrealen Erzählstil gerät seine außergewöhnliche Inszenierung dank des eindringlich spielenden irischen Schauspieler Gabriel Byrne zu einem sehenswerten Ereignis. Glänzend verkörpert der 70jährige Charakterdarstelle einen sehr irischen Charakter, den Nachfahren vieler literarischer Betrunkener, von Brendan Behan bis Flann O’Brien.

„Mein Ruf als Frauenheld war ein Witz, der mich in den zehntausend Nächten, die ich allein verbrachte, bitterlich lachen ließ. Tausend Nächte, die ich allein verbrachte“, gestand der poetische Dandy Leonhard Cohen einst. Diesen realitätsfernen männlichen Mythos zu entzaubern trieb Regisseur Matt Bissonette um. Seine eigene Erfahrung einer gescheiterten Ehe, der Anspruch verantwortungsvoll Kinder zu erziehen und nüchtern werden zu müssen, war die eigentliche Inspiration für den Film, gibt Bissonette freimütig zu.

Leonard Cohen und Krise, das ist freilich fast Synonym. Doch das ist nur eine oberflächliche Sicht auf sein Werk. Das Leitmotiv fast aller seiner Texte ist die spirituelle Frage nach dem Sinn des Menschseins angesichts von Leid und Katastrophen, das Finden transzendentaler Ebenen. Nicht zuletzt stammen seine beiden Eltern von Rabbinern ab. Dass der Titan der Worte, der lieber Literat und Dichter als Musiker sein wollte, nie den Literaturnobelpreis bekam sondern Bob Dylan, ist Ironie des Schicksals.

Luitgard Koch