Frau des Anarchisten, Die

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Lose basierend auf dem Leben ihrer Großeltern entwirft Autorin und Co-Regisseurin Marie Noelle ein umfassendes Gefühlsfresko, das Liebe, Bürgerkrieg und Widerstandskampf in Spanien zwischen 1937 und 1952 verbinden will. Viel Stoff für einen Film, der dementsprechend rasch an historischen Ereignissen vorbeiprescht, hier mal länger verweilt, dort Ratlosigkeit hinterlässt. Ein interessantes Thema, dem ein fokussierteres Drehbuch geholfen hätte.

Webseite: www.zorrofilm.de

Regie: Marie Noelle und Peter Sehr
Buch: Marie Noelle
Kamera: Jean-Francois Robin
Schnitt: Luis de la Madrid
Musik: Frédéric Sanchez
Darsteller: Juan Diego Botto, Maria Valverde, Nina Hoss, Alba Barragan, Ainoa Ruiz, Ivana Baquero, Jean-Marc Barr
Deutschland/ Spanien 2008, 115 Minuten, Format: 1:1,85
Verleih: Zorro Film
Kinostart: 30.4.2009

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Die ausufernde Geschichte von Marie Noelles Film beginnt 1937 in Madrid. Der Anwalt Justo (Juan Diego Botto) engagiert sich im Kampf gegen die Truppen Francos, die der Hauptstadt immer näher rücken. Für den Moment lebt er mit seiner Frau Manuela (Maria Valverde) und der Tochter Paloma noch ein leidlich gutes Leben, das jedoch bald von Einmarsch der Faschisten beendet wird. Der Vater verschwindet spurlos und Manuela versucht sich und ihre Tochter so gut es geht zu versorgen. Nach dem Krieg treffen sie Justo in Frankreich wieder, wo er Exil gefunden hat. Scheinbar hat er der Politik abgeschworen und beschlossen sich nur noch um seine Familie zu kümmern, doch mit Hilfe der deutschen Fliegerin Leni (Nina Hoss) plant er einen Anschlag auf Franco. Der Konflikt zwischen Liebe und Krieg, der sich durch den ganzen Film gezogen hat, steht vor einer letzten Entscheidung.

Marie Noelle, langjährige Mitarbeiterin von Peter Sehr – der hier als Co-Regisseur fungiert – ist die Enkelin eines Widerstandskämpfers des spanischen Bürgerkrieges. Lange Jahre erzählte ihre Mutter wenig über ihre eigenen Kindheitserlebnisse und wenn, dann nur in unzusammenhängenden Bruchstücken. Aus diesen Erinnerungsfetzen und ausgiebiger Recherche, formte Noelle das Drehbuch dieses semiautobiographischen Film. Aus dieser Nähe zu den gezeigten Ereignissen resultiert dann auch die größte Schwäche des Films: Seine mäandernde, unfokussierte Struktur, die nie ein wirkliches Zentrum findet. Angesichts der Fülle von Ereignissen, Figuren, ausführlich geschilderten Szenen und Ortswechseln drängt sich der Eindruck auf, dass es Noelle nicht geschafft hat, sich dem Material als neutrale Autorin zu nähern, sondern immer emotional involviert geblieben ist und sich nicht zu dramaturgisch sinnvollen Kürzungen und Straffungen durchringen konnte. 

Der Film beginnt im noch weitestgehend friedlichen Madrid, wo in aller Ausführlichkeit die große Liebe zwischen Justo und Manuela geschildert wird, beobachtet von der jungen Paloma, also Noelles Mutter. Nach gut einer halben Stunde verschwindet der Vater und es wirkt für eine Weile so, als würde der Film sein Thema finden. Mühsam versucht Manuela sich und Paloma durchzubringen, fängt an zu arbeiten und nimmt den Revanchismus der nun an der Macht befindlichen Faschisten stoisch hin. Hier hat der Film seine stärksten Momente, die Schilderung der Umkehr der Verhältnisse, der Hoffnung, die mit jedem Brief, jeder Nachricht einhergeht und viel zu schnell von der Verzweiflung weggewischt wird. Auch Paloma bekommt nun eine immer wichtigere Rolle, wird zum Halt der Mutter und selbstständigen Frau. Ihren Vater vergisst sie mehr und mehr, doch aus dieser Entfremdung schlägt der Film kein Kapital. Nach kaum mehr als der Hälfte des Films ist die Familie ganz plötzlich wieder vereint, die angedeutete Distanz zwischen Tochter und Vater schnell überwunden und der Film noch lange nicht vorbei. Zwar gibt es auch hier noch interessante Momente, die Untergrundarbeit, ein schöner Auftritt von Jean-Marc Barr, aber mit dem zwischenzeitlichen Thema des Films, der Entfremdung von Mutter und Tochter zum Vater, hat das alles nur noch bedingt zu tun. So hinterlässt „Die Frau des Anarchisten“ den etwas unbestimmten Eindruck eines inhaltlich übervollen Films, dessen thematisch interessante Aspekte mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt hätten.

Michael Meyns

Die junge Paloma erzählt, wie ein Krieg das Leben ihrer Eltern durcheinander wirbelte, verdarb, fast zerstörte. 

Spanischer Bürgerkrieg 1936–1939. Die internationalen roten Brigaden kämpfen gegen den Faschisten Franco und seine Armee. Der General hat gegen eine demokratisch gewählte linke Regierung geputscht. Das werden sich die Demokraten, die Monarchisten, die Kommunisten und die Anarchisten nicht gefallen lassen. Aber sie unterliegen. Eine Million Menschen kommen um. Zweieinhalb Millionen werden gefangen oder vertrieben.

Hitler ist den spanischen Faschisten zu Hilfe gekommen und wird durch Francos Sieg in seiner verbrecherischen politischen Haltung bestärkt. Vielleicht wäre bei einer Niederlage Francos das Schicksal Europas anders verlaufen.

Madrid ist bedroht. Dort lebt Justo Calderon mit seiner Frau Manuela und Töchterchen Paloma. Justo kämpft an zwei Fronten: im Radio mit flammenden Reden gegen Franco und auf dem Kriegsschauplatz. Manuela steht der Politik distanzierter gegenüber. Sie will nur eines: mit ihrer Familie glücklich leben. 

Der Krieg geht zu Ende. Aber Francos Anhänger wüten noch immer. Sie verfolgen und erschießen weiter ihre Gegner.

Justo kann nach Frankreich fliehen. Doch wird das Land bald von den Deutschen besetzt. Ergebnis: Gefangennahme und KZ.

Nach der Befreiung Deutschlands kann Justo nicht mehr nach Spanien zurück. Jahre dauert es, bis Manuela ihn findet. Doch er hat sich verändert, lebt im Verborgenen mit anderen zusammen, plant weiter den Widerstand gegen Franco. Durch einen Bombenanschlag soll der Caudillo aus dem Weg geräumt werden. Das Vorhaben misslingt. Justo hat Granatsplitter in der Lunge, ist schwer krank.

Paloma ist zu einer Gegnerin ihres Vaters geworden. Doch schließlich siegt über alles das Zusammengehörigkeitsgefühl.

Der Film heißt zurecht „Die Frau des Anarchisten“. Denn bei allem plausibel erzählten geschichtlichen und militärischen Ablauf steht Manuela – später auch Paloma – im Vordergrund: mit ihrer über alles dominierenden Liebe, mit der Enttäuschung über ein zerbombtes Haus, mit der jahrelangen Suche nach ihrem Mann, mit der Verzweiflung über den Tod des zweiten Kindes der Calderons, mit dem Kampf gegen Francos Behörden, mit der dauernden Ungewissheit, mit den Gefühlen für Paloma, mit der Abwehr der Zudringlichkeiten ihres Schwagers, mit der Angst vor der totalen Entfremdung Justos, mit den Schwierigkeiten des Umzuges in ein fremdes Land und wie gesagt mit der über alles dominierenden Liebe.

Menschlich wie historisch ein interessanter, dramaturgisch gut gebauter Film, nuancenreich und individuell angepasst gespielt von Maria Valverde (Manuela), Juan Diego Botto (Justo), Ivana Baquero (Paloma), Nina Hoss (Leni, genannt Lenin) und anderen.

Thomas Engel