Hasta la vista – Pflücke das Leben!

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Drei Männer reisen nach Spanien, um Frauen aufzureißen – eine Konstellation mit bewährtem Komödienpotential, die jede Menge filmische Möglichkeiten bietet, um sich mehr oder weniger kultiviert über geschlechtsbedingte Vorurteile, Erwartungen und Enttäuschungen zu amüsieren.
Hier allerdings wird anspruchsvollere Unterhaltung geboten, was vielleicht auch daran liegt, dass die drei Männer behindert sind und davon träumen, wenigstens einmal im Leben Sex zu haben. Vor allem ist dies aber eine ans Herz gehende Geschichte über Liebe und Freundschaft und ein tragikomisches Roadmovie um Frauen, Wein und die Lust am Leben.

Preise:
Internationales Filmfestival Montréal 2011: Großer Preis, Publikumspreis; Internationales Filmfestival Valladolid 2011: Hauptpreis, Nachwuchspreis; Noordelijke Filmfestival Leeuwarden 2011: Publikumspreis; Filmfestival Alpe d’Huez 2011: Hauptpreis

Webseite: www.hastalavista-film.de

Originaltitel: Hasta la Vista
Belgien 2011
Regie: Geoffrey Enthoven
Drehbuch: Pierre De Clercq
Darsteller: Robrecht Vanden Thoren
115 Minuten
Verleih: Ascot Elite, Vertrieb: 24 Bilder
Kinostart: 12. Juli 2012

PRESSESTIMMEN:

Ein authentisches Roadmovie mit Rollstuhl, Blindenstock und extrem viel Herz.
STERN

FILMKRITIK:

Die Freunde Philip, Lars und Jozef sind Weinkenner. Aber sie haben noch mehr gemeinsam als die Liebe zum Wein, beispielsweise den Wunsch, endlich mit einer Frau Sex zu haben. Doch die drei werden, obwohl sie längst erwachsen sind, von ihren Familien bewacht und bevormundet. Der Grund: Sie sind körperbehindert. Lars und Philip sitzen im Rollstuhl, und Jozef ist fast blind. Da sie ständig auf Hilfe angewiesen sind, haben sie kaum die Chance, jemanden kennenzulernen oder sich überhaupt einmal unbeobachtet aus dem Staub zu machen. Als sie herausfinden, dass es in Spanien ein Bordell gibt, das auf Behinderte spezialisiert ist, entwickeln sie einen kühnen Plan. Gemeinsam mit einem Fahrer, der sie rund um die Uhr betreut, wollen sie von Belgien an die spanische Mittelmeerküste reisen. Das ganze Unternehmen soll als „Weinreise“ getarnt werden, damit die Eltern zustimmen. Und zunächst sieht es auch ganz gut aus. Ein Luxus-Behindertenbus nebst versiertem Betreuer wird organisiert. Alles ist vorbereitet, da erfährt Lars, dass sich sein Zustand verschlechtert hat. Die Ärzte raten ab. Lars allerdings denkt nicht daran, die Reise aufzugeben. Wenn er schon sterben soll, dann wenigstens nach dem ersten Mal!

So wird eben heimlich gefahren. Aus dem Luxus-Vehikel wird eine Klapperkiste und aus dem scheckheftgeprüften Behindertenfahrer wird Claude ... eine Frau! Noch dazu eine außergewöhnlich robuste Vertreterin ihres Geschlechts, deren Hilfe die Drei zunächst nicht annehmen wollen. Ganz zu schweigen von dem Problem, Claude erklären zu müssen, dass sie die Jungs in ein Puff fahren soll. Die Konflikte sind also vorprogrammiert. Dass die vier tatsächlich unbeschadet in Spanien ankommen, grenzt an ein Wunder. Bis dahin haben sie sich zusammengerauft, und Claude ist nicht nur Helferin, sondern auch Vertraute und Kumpel geworden – für Jozef sogar noch mehr: Er hat sich in sie verliebt. Doch ihre Freundschaft wird einmal mehr auf die Probe gestellt, als es Lars immer schlechter geht. Schafft er es noch schnell ins Bordell?

Warmherzig, niemals zynisch, oft lakonisch präsentiert sich die mit Preisen überhäufte Komödie. So sind die Lacher zwar herzlich, verirren sich aber niemals in die Niederungen schenkelklopfenden Gegröles. Sogar in den Slapstickszenen bleibt das Amüsement niveauvoll. Wenn der blinde Jozef vorangeht, während ihm die Freunde im Rolli den Weg weisen, dann hat diese Komik etwas Rührendes, beinahe Chaplineskes. Meistens allerdings entstehen die komischen Situationen durch die aufeinanderprallenden starken Charaktere.

Da ist der smarte Philip (temperamentvoll und witzig: Robrecht Vanden Thoren), der immer einen coolen Spruch auf Lager hat und dabei schnell beleidigend wird. Er ist die treibende Kraft hinter all den ungewöhnlichen Ideen des Trios. Und er kann ab und zu einen Dämpfer gut gebrauchen. Lars (mit sanftem Blick und eisernem Willen: Gilles de Schryver) ist der Jüngste und muss sich mit dem Gedanken an den baldigen Tod befassen. Jozef (sanftmütig und liebenswert: Tom Audenaert) ist der lebenslustigste und reifste der Freunde, die eine typische Männerfreundschaft verbindet. Sie akzeptieren einander, wie sie sind, auch und besonders, wenn sie sich über ihre Behinderungen lustig machen. Als die robuste Claude (gelassen und mit pragmatischem Humor: Isabelle de Hertogh) in die Phalanx der Männerverschwörung einbricht, müssen die drei erst einmal mit der neuen Situation klarkommen. Hilfe annehmen von einer fremden Frau? – Unvorstellbar! Auch wenn die Jungs nach außen cool tun, so sind sie doch vollkommen unerfahren im Umgang mit anderen. Sie sind überbehütet aufgewachsen und gewöhnt, dass man ihnen gegenüber rücksichtsvoll ist. Selbst Rücksicht nehmen auf andere, das müssen sie erst noch lernen.

Vom ungemütlich herbstlichen Belgien in den warmen, sonnigen Süden Spaniens – die Reise an sich ist schon eine Metapher für die Botschaft dieses Films, in dem sich Rührung und pures Vergnügen begegnen. Wer sich nix traut, der kann auch nichts erreichen, denn der Weg ist das Ziel in diesem Roadmovie, das mit beeindruckenden Darstellern und trotz einiger vorhersehbarer Konflikte durch originelle Wendungen und witzig lakonische Dialoge überzeugt. Obwohl die Jungs (und das Mädel) kräftig austeilen und einstecken, werden die Helden niemals der Lächerlichkeit preisgegeben. Als Berater und Executive Producer fungierte der gelähmte Filmemacher Asta Philpot. Seine Dokumentation über das Recht Behinderter auf Sex war Inspiration und Grundlage für den belgischen Regisseur Geoffrey Enthoven, der sich auf schwierige Filmthemen spezialisiert, in denen mit Witz und Humor Tabus gebrochen werden. Das gelingt hier bei allem Spaß sehr eindringlich.

Und sie besuchen natürlich auch ein paar Weingüter ...

Gaby Sikorski

Lars, Jozef und Philip sind jung und gute Freunde – doch sie sind noch etwas: schwer behindert. Jozef ist fast blind, Lars leidet an Krebs, Philip ist gelähmt, auf den Rollstuhl angewiesen. Von allem sind sie beinahe ausgeschlossen; von Sex kann gar keine Rede sein.

Sie haben genug von einem solchen Leben. Sie beschließen, nach Spanien in ein Bordell zu reisen, in dem man sich um behinderte Menschen kümmert. Die Eltern und die Ärzte sind schwer zu überzeugen, denn vor allem für Lars ist eine solche Unternehmung lebensgefährlich. Also reisen sie geheim, nachdem sichergestellt ist, dass Claude sie mit allem Drum und Dran versorgen kann.

Zu ihrem großen Erstaunen ist Claude kein Mann sondern eine Frau. Die Fahrt erweist sich schon anfänglich als schwieriger denn vermutet. Die Laune wird zunächst immer schlechter. Doch dann, nach einer Gardinenpredigt von Claude, wird die Stimmung fröhlicher. Feiern beim Camping und gemeinsame Überwindung brenzliger Situationen ist nun möglich.

In Spanien bekommen Philip und Lars, was sie sich wünschten. Jozef seinerseits findet mit der schwergewichtigen Claude noch etwas viel Besseres.

Wenn es nur Lars nicht so schlecht ginge.

Eine Beinahe-Komödie, die von der Idee her – zugrunde liegt eine britische Dokumentation -, von den meisten Drehbucheinfällen, von der filmischen Machart und von den vier Hauptakteuren her gelungen ist. Man amüsiert sich als Kinozuschauer – auch wenn einem das Lachen manchmal im Halse stecken bleibt.

Und noch etwas: Im täglichen Trott wird einem viel zu wenig bewusst, wie manche Mitmenschen, behinderte zumal, kämpfen müssen. Dieser Film trägt auf unaufdringliche Weise dazu bei, dies mehr ins Bewusstsein zu rücken. Ein guter Ansatz. Zur Beherzigung empfohlen.

Die drei „Behinderten“ Robrecht vanden Thoren (Philip), Gilles de Schryver (Lars) und Tom Andenaert (Jozef) spielen, als wären sie tatsächlich in einer schlimmen Lage. Sehr gut. Ebenso sympathisch Isabelle Hertogh als „mütterliche“ Claude.

Thomas Engel