Vor 145 Jahren erstmals erschienen und noch immer ungebrochen populär: In schöner Regelmäßigkeit findet das von Johanna Spyri erdachte Alpenmädchen Heidi seinen Weg auf die große Leinwand oder den kleinen Bildschirm. Bevor zwei gerade in der Entwicklung steckende Serienprojekte das Licht der Welt erblicken, landet erst einmal ein Animationsfilm in den Kinos, der eine neue Geschichte erzählt. „Heidi – Die Legende vom Luchs“ möchte auch eine frische Generation für die aufgeweckte Titelheldin begeistern, transportiert wichtige Botschaften, wirkt aber mehr wie ein Fließbandprodukt. Besonderer Charme? Fehlanzeige!
Über den Film
Originaltitel
Heidi
Deutscher Titel
Heidi – Die Legende vom Luchs
Produktionsland
DEU,BEL,ESP
Filmdauer
79 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
Schwarz, Tobias
Verleih
Leonine Distribution GmbH
Starttermin
26.06.2025
Zusammen mit ihrem Großvater, dem sogenannten Alm-Öhi, lebt die kleine Heidi in einer Berghütte jenseits des Dorfes. Das Alpenpanorama ist ihre Welt, wie es ja schon im deutschen Titelsong der berühmte Animeserie „Heidi“ aus den 1970er-Jahren heißt. Doch in den Ferien möchte sie dieses Mal ihre Freundin Clara besuchen, die gerade mit ihrem Vater an der Ostsee Urlaub macht. Für die Reise dorthin ist eigentlich schon alles vorbereitet. Doch dann taucht im Ort der zwielichtige Geschäftsmann Schnaittinger auf, der die Bevölkerung vom Bau eines Sägewerks überzeugen will. Da er die Zustimmung jedes einzelnen Bewohners benötigt, hält er sich mit Versprechungen nicht zurück. Den bei einem Brand zerstörten Kirchturm möchte er reparieren lassen und die Menschen sowie ihr Nutzvieh vor den wilden Tieren in der Umgebung beschützen.
In eine seiner überall aufgestellten Fallen tritt eines Tages ein Luchsjunges, das Heidi entdeckt und heimlich mit nach Hause nimmt. Ihr Großvater merkt schnell, dass etwas anders ist. Doch sein Ärger hält sich in Grenzen. Vielmehr freut er sich über die Hilfsbereitschaft seiner Enkelin. Worauf er allerdings besteht: das Tier, wenn es von seiner Verletzung genesen ist, wieder in die Wildnis zu entlassen. Weil sich der alte Mann den Lockrufen Schnaittingers widersetzt, greift der skrupellose Neuankömmling zu hinterlistigen Methoden. Heidi wiederum bricht schließlich mit ihrem besten Freud Peter unbemerkt zu einer gefährlichen Wanderung bis zur Baumgrenze auf, um den kleinen Luchs zu seiner Familie zurückzubringen.
Der Einstieg macht gleich Lust auf mehr und nährt Sehnsüchte nach einem baldigen Urlaub in den Bergen. Während sich der Nebel über den Schweizer Alpen langsam verzieht, spendiert uns der Film einen spektakulären Blick über die hübsch animierte Landschaft. Keine Frage, gerade die Naturimpressionen überzeugen, ziehen in den Bann. Die Gesichter der Figuren sind etwas weniger detailreich und ausdrucksstark. Was Kennern der oben erwähnten japanischen Kultserie sofort auffallen wird: Aussehen und Kleidung der Charaktere haben die Macher rund um Regisseur Tobias Schwarz weitgehend aus der Zeichentrickproduktion übernommen.
Gerade in Zeiten, in denen die Gefahren des Klimawandels aufgrund anderer Unruheherde aus dem Blick zu geraten drohen, ist der Appell von „Heidi – Die Legende vom Luchs“ an den Schutz der Umwelt absolut lobenswert. Profitdenken und rücksichtsloser Fortschrittsglaube setzen der Natur gewaltig zu, haben mit dafür gesorgt, dass sich unser Planet inzwischen in einem alarmierenden Zustand befindet. Die in vielen Familienfilmen beschworene Freundschaft zwischen Mensch und Tier ist auch hier zu spüren, wenn Heidi und der Luchs sich langsam annähern. Gleichzeitig wird aber deutlich, dass es sich bei ihrem neuen Spielgefährten um eine Raub-, keine- Hauskatze handelt, die in die Wildnis zu ihren Artgenossen gehört.
Seine Themen bereitet das Animationsabenteuer leider eher schablonenhaft auf, presst sie in eine Handlung, die einen zusammengeflickten Eindruck macht. Etwas Naturromantik, eine Prise Drama, ein paar brenzlige (meistens schnell bereinigte) Situationen und ein Schuss Komik werden kombiniert, ohne dass ein erzählerischer Fluss entstehen würde. Manche Wendungen sind etwas umständlich konstruiert. Und gerade in der Zeichnung der Figuren bleibt „Heidi – Die Legende vom Luchs“ weitgehend an der Oberfläche. Schnaittiger ist der böse 08/15-Kapitalist, den es schon in unzähligen Bergfilmen zu sehen gab. Peter definiert sich vor allem über seine Vorliebe für alles Essbare. Und Heidi fehlt es als Protagonistin an einer spannenden Entwicklung. Keine Frage, das Mädchen ist mutig und zupackend – irgendwie bleibt sie aber dennoch ein eher unbeschriebenes Blatt. Vergleicht man Anfang und Ende, hat sie sich nicht groß verändert, keine besonderen Erkenntnisse gewonnen.
Christopher Diekhaus