koreanische Hochzeitstruhe, Die

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Nicht umsonst heißt es oft „andere Länder, andere Sitten.“ Im Prinzip ist das Ritual der Hochzeit in Korea, das Ulrike Ottinger in ihrem neuen Film beschreibt, zwar nicht wesentlich anders als in Europa. Schaut man jedoch genauer hin – und das genaue Hinsehen ist eine der großen Stärken Ottingers – zeigen sich die Unterschiede im Detail. Dank diesem Gespür für scheinbar Nebensächliches wird „Die koreanische Hochzeitstruhe“ zu einem faszinierenden Einblick in eine andere Kultur.

Webseite: www.arsenal-berlin.de

Deutschland 2008 - Dokumentation
Regie: Ulrike Ottinger
Drehbuch: Ulrike Ottinger
Kamera: Ulrike Ottinger, Lee Sunyoung
Schnitt: Bettina Blickwede
Länge: 82 Min.
Verleih: Arsenal - Institut für Film und Videokunst e.V.
Kinostart: 1. Oktober 2009

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Wie heiratet man in Korea? Vermutlich eine Frage, die sich kaum jemand gestellt hat, die nun dank Ulrike Ottingers Film in allen Details beantwortet ist. In losen Vignetten beschreibt die österreichische Regisseurin traditionelle und zeitgenössische Riten, die auf zum Teil bizarre Weise verflochten sind. Es beginnt mit einem schamanistischen Ritual, der Besänftigung der Geister, dem Beschwören einer glücklichen Ehe. Auch im Tempel der Wunscherfüllung beten Braut und Bräutigam dafür, wobei die Hochzeit selbst oft eher wie harte Arbeit wirkt und weniger wie der glücklichste Tag des Lebens. Doch bevor der große Tag ansteht, wird der Bund symbolisch geschlossen: Mit einem kleinen Vorhängeschloss an einem Zaun, hoch über der Stadt. Und mit der titelgebenden Hochzeitstruhe, die in der längsten, eindrucksvollsten Sequenz des Films beschrieben wird.

Es ist ein alter Ritus, dem folgend der Bräutigam eine Truhe mit Gaben bestückt: Dem Heiratsantrag, seiner Geburtsurkunde, kleinen Beuteln voll mit Reis oder Kernen, die Glück, Gesundheit und anderes symbolisieren. Eingewickelt wird die Truhe mit blau-rotem Stoff, blau für den Mann, rot für die Frau. Und schließlich ein geflochtenes Band, interessanterweise ohne Knoten, mit dem ein Tragegriff hergestellt wird. Wie ein Rucksack nimmt der Bräutigam die Truhe und trägt sie zu seinen zukünftigen Schwiegereltern. Ohne anzuhalten und ohne die Truhe abzusetzen muss er den Weg beschreiten, das symbolische Band zwischen zwei Familien knüpfen.

Die eigentliche Trauung dagegen wirkt eher westlich, auch wenn sie in einem Maße durchorganisiert ist, die wenig Atmosphäre aufkommen lässt. Selbst als das Ehepaar schon vor dem Pfarrer steht, zupfen Assistentinnen Kleider und Schleier zu Recht, damit die Fotos auch ja schön werden. Das scheint wichtiger als alles andere zu sein: Erinnerungen zu kreieren, aussagekräftige Fotos, die das Glück des großen Tages dokumentieren.

Mit neugierigem Blick filmt Ottinger die verschiedenen Rituale, läßt sie kommentarlos für sich stehen. Manchmal wird ein Detail erklärt, für den Außenstehenden Unverständliches erläutert. Ottingers Stimme ist nur manchmal zu hören, in einer den Film strukturierenden Erzählung, einer Legende von einem Ginseng-Paar und seinem Kontakt zu den Menschen. Es ist eine enigmatische Erzählung, ebenso frei gewoben und vielfältig interpretierbar wie der gesamte Film, vor allem aber ebenso faszinierend.

Michael Meyns

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