Leg ihn um

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Die Story klingt verlockend: Reicher kranker Greis verspricht das komplette Erbe inklusive Firma, Schloss und Vermögen demjenigen seiner Kinder, das ihn innerhalb einer Woche um die Ecke bringt. Was sich wie eine krawallige schwarze Komödie anhört, entpuppt sich als eher ambitionierter und gelegentlich erfreulich zynischer Schauspielerfilm.
Hans-Michael Rehberg brilliert als alter Patriarch. Er spielt den Fiesling mit so viel Gemeinheit und rücksichtsloser Altmänner-Power, dass man ihn lieber heute als morgen über den Jordan schicken möchte.
Der kleine Film wird es nicht leicht haben, sich im Kino zu behaupten. Immerhin bietet das neueste Werk der Gruppe DIE GLÜCKLICHEN um Jan Georg Schütte den Fans der gehobenen Schauspielkunst neben Einblicken in die sexuellen Präferenzen gelangweilter Geldsäcke und in das bekanntlich öde Wohlleben der Upper Class einen gelungenen Rundumschlag gegen großbürgerliche Familienkonventionen.

Webseite: www.leg-ihn-um.de

Deutschland 2012
Regie, Buch: Jan Georg Schütte
Darsteller: Oliver Sauer, Stephan Schad, Susanne Wolff, Pheline Roggan, Hans-Michael Rehberg, Anne Weber, Ole Schlosshauer
Bildgestaltung: Bettina Herzner, Roland Fritzenschaft
Länge: 106 Minuten
Verleih: Aries Images
Kinostart: 7. März 2013

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

August Manzl ist nicht nur Macher und Manager, sondern auch Familienvater. Seine vier erwachsenen Kinder sind in den Augen des unumstrittenen Herrschers über Geld und – da war doch noch was? ach ja: Menschen – allesamt Versager. Und falls tatsächlich einer der Sprösslinge wider Erwarten irgendwas auf dem Kasten hat, dann wird sich das innerhalb der nächsten Woche zeigen. So lange haben die Kinder nämlich Zeit, um den Alten umzulegen – aktive Sterbehilfe sozusagen, denn August ist sehr krank und wird vermutlich ohnehin demnächst das Zeitliche segnen. So starten die Kinder, mehr oder weniger mit Skrupeln behaftet, die Operation Vatermord. Jetzt haben sie Gelegenheit, sich für alle Lieblosigkeiten und Demütigungen zu rächen, aber sie tun sich doch alle ziemlich schwer: der schwule Karl, der koksende Hugo, die raffinierte Sylvia. Und da ist noch die brave Elisabeth, die Lieblingstochter, die von der ganzen Aktion nichts wissen will. Sie alle präsentieren sich samt Lebenspartnern als dekadente Egoisten, die genauso lebensunfähig sind, wie Papa vermutet. Eigentlich sind sie auch genauso unsympathisch wie ihr Vater.

Das könnte alles sehr witzig sein, aber dies ist keine krachende Komödie und soll auch keine sein. Hier geht's nicht um unbeschwerte Unterhaltung, sondern eher um die bühnenhafte Abrechnung mit großbürgerlicher Spießigkeit. Ein paar Geheimnisse und Obsessionen werden aufgedeckt, aber Massenunterhaltung ist offenbar nicht beabsichtigt, vielmehr wird mit theatralen Mitteln eine Auseinandersetzung mit dem Phänomen Familie als Ort des Schreckens angestrebt. Bei allen guten Vorsätzen: Manches wirkt allzu gewollt in diesem Film, und die improvisierten Dialoge gehen gelegentlich auf Kosten einer straffen Handlung. Hier zeigt sich einmal mehr, wie schwierig es ist, einen spannenden Film ohne eine positive Figur zu machen. Auch wenn man den alten Zausel August Manzl mit der Zeit ein wenig lieb gewinnt, fehlt doch die Spannung, die durch Mitfühlen und Mitleiden entsteht. So plänkelt die Handlung manchmal vor sich hin, alles gut gespielt, alles toll improvisiert, aber ohne den letzten Biss, sondern letztlich doch recht brav und statisch.

Der große Menschendarsteller Hans-Michael Rehberg hingegen reißt alles wieder raus – mit seinem Haifischblick, dieser exquisiten Mischung aus Boshaftigkeit und Leiden. Man nimmt ihm problemlos ab, dass er ein Leben lang alle Menschen in seiner Umgebung gequält hat. Der Sadismus ist ihm zur lieben Gewohnheit geworden. Die übrigen Darsteller leisten wackere Arbeit, doch gegen die titanische Urgewalt der Rehberg’schen Schauspielkunst wirken sie beinahe artig als verwöhnte und versaute Millionärsbrut. Anne Weber gefällt als geheimnisvollen Assistentin des alten Patriarchen, die wandlungsfähig zwischen oberlehrerinnenhaftem Charme und unterdrückten Emotionen variiert. Die übrigen Darsteller der Kinder des Alten – allen voran Oliver Sauer als Karl, der Schwule mit dem verspäteten Coming Out – demonstrieren anschaulich die Folgen einer verkorksten Erziehung. Außer in Grenzen Elisabeth (Pheline Roggan mit elfenhafter Zartheit), die zumindest die Grundregeln sozialer Kommunikation beherrscht, schmoren sie im eigenen Saft ihrer Unfähigkeit. Und schuld an ihrem verkorksten Leben hat natürlich der böse Papa. Wie und durch wen der Alte dann tatsächlich vom Leben zum Tode befördert wird, ist eine hübsche Überraschung.

Die Reichen haben es schwer: Außer ihrem Geld besitzen sie praktisch nichts außer Neurosen und Bosheit, denn Geld verdirbt den Charakter, das ist allgemein bekannt, und mit diesem tröstlichen Klischee kann man vermutlich bis in alle Ewigkeit kleine, gemeine Filme wie diesen machen.

Gaby Sikorski