Liebesfälscher, Die

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Nach langer Abwesenheit kehrt der iranische Regisseur Abbas Kiarostami wieder auf die deutschen Leinwände zurück mit einem wunderbaren Film, der gleichzeitig die typischen Themen Kiarostamis weiterführt und in neue Richtungen weist. Juliette Binoche und der Opernsänger William Shimell spielen ein Paar, das möglicherweise doch keins ist, und reflektieren an einem Nachmittag in der Toskana über ihre vergangene oder sich gerade entwickelnde Beziehung.

Webseite: www.alamodefilm.de

Frankreich 2010
Regie, Buch: Abbas Kiarostami
Darsteller: Juliette Binoche, William Shimell, Jean-Claude Carriere, Agathe Natanson, Gianna Giachetti
Länge: 106 Minuten
Verleih: Alamode Film/ Filmagentinnen
Kinostart: 13. Oktober 2011

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Juliette Binoche und Abbas Kiarostami: eine Verbindung wie im Arthouse-Himmel gemacht. Sie ist eine der berühmtesten französischen Schauspielerinnen der letzten 20 Jahre, die sowohl in erfolgreichen Hollywood-Filmen spielte (und für „Der englische Patient“ gar den Oscar erhielt) als auch mit internationalen Regisseuren wie Krysztof Kieslowski, Hou-Hsiao Hsien oder Michael Haneke arbeitete. Er ist der wohl berühmteste iranische Regisseur unserer Zeit, der für „Der Geschmack der Kirsche“ mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde und in den letzten Jahren zunehmend experimentelle Filme drehte, die trotz aller Qualitäten nicht mehr den Weg in die deutschen Kinos fanden.

Jetzt also „Copie Conforme“, der mit einer wissenschaftlichen Konferenz beginnt, auf der der Wissenschaftler James Miller (William Shimell) sein neues Buch – das ebenso wie der Film Copie Conforme heißt – vorstellt. In ihm und damit auch im Film selbst geht es um die Frage, welchen Wert eine Kopie in Bezug auf das Original hat, wie man ein Original von einer Kopie unterscheiden kann und daraus folgend, ob es überhaupt einen Unterschied zwischen Original und Kopie, zwischen Faktischem und Fiktiven gibt.

Es sind dies die Fragen, die Kiarostami seit Beginn seiner Filmkarriere beschäftigen, die er in immer neuen Variationen thematisiert hat. Oft vermischte er in seinen Filmen Dokumentarisches mit Fiktivem, die erst im Zusammenspiel eine eigene, vielleicht größere Wahrhaftigkeit entfalteten. Diese ersten Minuten bilden eine Art ethische, theoretische Blaupause, die eine Interpretationsmöglichkeit für die folgenden Ereignisse liefern.
Während des Vortrages sieht man Juliette Binoche in den Raum schlüpfen, kurze Einstellungen deuten Figurenkonstellationen an, die aber unbestimmt bleiben. Binoche heißt nur Elle, ein eher ungewöhnlicher Vorname, vor allem aber eine allgemeine Bezeichnung für „sie“, die Frau. Elle ist eine Journalistin, die Miller zu einem Interview trifft. Zunächst wirkt das Gespräch ganz normal, im Sinne von ganz professionell. Man plaudert über die Thesen des Buches, die Intentionen des Autors, zunehmend entwickelt sich eine flirtartige Atmosphäre, die den Anschein erweckt, dass die beiden sich kennen, dass das ganze Gespräch nur eine Scharade ist, ein Spiel zwischen zwei sehr vertrauten Menschen, vielleicht sogar zwischen einem Ehepaar.

Immer intimer werden die Unterhaltungen, immer emotionaler wird die Verbindung der beiden. Äußere Einflüsse begünstigen die Entwicklung: Eine Bedienung, die sie für ein Ehepaar hält, eine Hochzeitsfeier, an der sie im Laufe des Tages in der Toskana vorbeikommen. Mehr und mehr scheint die Fassade, die die anfängliche distanzierte Unterhaltung scheinbar war, wegzubrechen und ein Ehepaar zu offenbaren, dass sich durch zeitintensive berufliche Beschäftigungen und einen Sohn im Teenager-Alter auseinander gelebt hat. Vielleicht aber auch nicht. Wie genau James und Elle zueinander stehen, bleibt auch am Ende des Films offen, eine klare Antwort verweigert Kiarostami dem Zuschauer und führt damit konsequent die Ausgangsthese zu Ende: Die Schwierigkeit zwischen Original und Fälschung, zwischen echten und gespielten Emotionen zu unterscheiden.

Dass „Copie Conforme“ nicht zu einer abstrakten Kopfgeburt wurde, sondern ein faszinierender, vielschichtiger Film ist, verdankt sich nicht zuletzt dem Spiel der beiden Hauptdarsteller. Mit großer Leichtigkeit vollbringen sie das Kunststück, authentisch und überzeugend zu wirken, auch wenn man stets zweifelt, ob sie gerade spielen oder echte Emotionen empfinden. Wobei natürlich auch die im Kontext des Films gespielt wären, womit die ganze Komplexität dieses Films deutlich wird.

Michael Meyns

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