Malen oder lieben

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Sinnlich-provozierendes Kino aus Frankreich: Daniel Auteuil und Sabine Azema, zwei populäre Größen des französichen Kinos, geben ein wohlsituiertes Ehepaar, dass auf dem Lande eine neue Sinnlichkeit entdeckt. Was als poetische Suche beginnt, droht gegen Ende in Seichtigkeiten abzutauchen. Der frivole, leichtfüßige, von vielen Chansons begleitete Wohlfühl-Film der Brüder Arnaud und Jean-Marie Larrieux wurde von der französischen Kritik gefeiert und für die Goldene Palme nominiert. 

Webseite: www.malen-oder-lieben.de

Peindre ou faire l‘amour
Frankreich 2006
Regie: Arnaud und Jean-Marie Larrieu
Darsteller: Sabine Azema, Daniel Auteuil, Amira Casar, Serbi Lopez, Sabine Haudepin, Roger Miremont
Länge: 98 Min.
Verleih: Prokino

PRESSESTIMMEN:

Die Sinnlichkeit des Landlebens... Die gute Chemie von Sex, Ästhetik und Naturerfahrung ist das Geheimnis, 98 Minuten lang ein Kino-Paradies. - Sehenswert!
Tip Berlin

Eine luftige Sommerkomödie, wie sie eigentlich nur in Frankreich entstehen kann.
Berliner Zeitung

Der unvoreingenommenste, lustbetonteste und neckischste Film des Sommers.
Elle

Die verspielt poetische Geschichte von Partnertausch und neu erwachender Lust...
Das Pathos der imposanten Landschaft spielt eine große Rolle in diesem Film... Es ist ein Spiel mit dem Licht und der Nacht, der Sonne und dem Wind, den Farben öund dem Summen der Natur... Ein poetischer und rätselhafter Titel mit einem merkwürdigen Gegensatz: Warum nicht Malen und Lieben? Subtile Schelmerei durchzieht das ganze Werk, in dem die Freiheit des alternden Paars völlig ungeplant in jugendliche Libertinage umschlägt... ein charmant-unprätentiöser Film.
Der Spiegel

Ein kluger, komischer Liebesreigen... Dem poetischen Titel entsprechend zeigen die Regie-Brüder Larrieu ohne Vulgarität oder Voyeurismus, dass in Beziehungen nichts unmöglich ist.
Brigitte

Der leichthändig inszenierte Film feiert sexuelle Freizügigkeit sowie den nie enden wollenden Fluss der Verlangens, wobei er seine frivole Geschichte in dezenten Bildern erzählt. Eine typisch französische Komödie mit einem überzeugenden Darstellerpaar, das seine späte Aufgeregtheit nuanciert vermittelt.
film-dienst

Eine freigeistige Komödie voller Witz und Humor!
Le Monde

Leichtfüßig und prickelnd wie ein Flirt!
Télérama

 

 

FILMKRITIK:

Jedes Jahr schenkt uns das französische Kino einen dieser unbeschwerten Wohlfühlfilme, die auf leichte, aber dennoch intelligente Weise die unerhörte These vertreten, dass das Leben doch bereits auf Erden ein Paradies sein kann. Und wie immer liegt dabei das Glück nicht im Stress der Städte, sondern auf der Wiese. Mit viel Sinn für Humor und Poesie präsentieren die Brüder Larrieu diese charmante Provokation, bei der sich sogar der Charme der Bourgeoisie als echt entpuppt.

William (Daniel Auteuil) sitzt im Dunkeln und kann sein Glück, das doch so greifbar nahe ist, (noch) nicht fassen. Der frühpensionierte Metereologe traut dem neuen Lebensabschnitt und seinen Möglichkeiten nicht. Seine Frau Madleine (Sabine Azéma) ist da aus ganz anderem Holz geschnitzt. Als die Besitzerin einer kleinen Fabrik beim Ausflug auf dem Land ein leer stehendes Bauernhaus entdeckt, ist sie gleich begeistert. Die Aura des Anwesens hat auf die eingeschlafene Libido des Pärchens so belebende Wirkung, dass sich auch William spontan zum Kauf entscheidet.

Der Eindruck, mit dem berauschendem Naturerlebnis am Fuß der Alpen in einem amourösen Jungbrunnen gestiegen zu sein, verstärkt sich noch, als die beiden ihre neuen Nachbarn kennen lernen. Der blinde Bürgermeister Adam und seine aufreizend schöne junge Frau Eva verwickeln die beiden Neuankömmlinge schon bald in eine Menage a Quatre. Doch am nächsten Morgen löst der spontane Partnertausch bei William und Madleine Panik aus. Der Flirt mit der sexuellen Freizügigkeit endet zuerst einmal in der Flucht. Nach dem ersten Schock macht sich aber bei den beiden eine klammheimliche Lust am Begehren breit.

Sympathische, kultivierte Menschen, die in der traumhaft schönen Kulisse des französischen Voralpenlandes ein zauberhaftes Anwesen bewohnen; bei soviel bürgerlichen Glück wartet man unweigerlich auf den Moment, wo der Schleier fällt und das schöne Sein als Schein entlarvt. Die Brüder Arnaud und Jean-Marc und Larrieu gönnen sich die verschmitzte Provokation, dieses eine Mal den Charme der Bourgeoisie sich gänzlich ohne doppelten Boden entfalten zu lassen.

Das Resultat ist dennoch weit entfernt von den gängigen Traumschiff-Szenarien, oder ähnlichen faden Fluchthelfern aus der Realität. Die Brüder Larrieu wirken da eher wie eine französische Variante des deutschen Filmutopisten Rudolph Thome. Nur das bei ihnen statt zelebrierter verquast, teutonischer Seelenlandschaft, ein frivol, fröhlicher Blick auf einen Himmel voller Sinnesfreuden ohne Reue und moralischer Bedenken geworfen wird.

Soviel Zuckerwatte aus Zelluloid könnte einem auf Dauer ziemlich aufstoßen, hätte der Film nicht jene spielerische Ebene, die die Erwartungen und Skepsis des Zuschauers aufgreift. So gehören die Szenen, in denen das Paar, angst vor den eigenen Wünschen bekommt, zu den komischen Höhepunkten der Komödie.

Für die passende stimmungsvolle Atmosphäre in diesem amourösen Reigen sorgt die Kamera von Christopher Beaucarne, der virtuos die Möglichkeiten des Lichtes durchdekliniert. Ein reiner Genuss ist auch das feinsinnige Zusammenspiel der beiden darstellerischen Schwergewichte Sabine Azéma und Daniel Auteuil, die hier erstmals gemeinsam vor der Kamera agieren. Schwerer hat es da schon Sergi Lopez („Harry meint es gut mit mir“), dessen Rolle als Katalysator zu allegorisch angelegt ist, um Charakter und Konturen zu entwickeln.

Norbert Raffelsiefen

 

 

Häuser oder Wohnungen gelten nach der Bekleidung auch als „die dritte Haut“ des Menschen. Wird sie gewechselt, ändert sich das Leben. Ein Haus am Fuße der Alpen bringt ganz neue Stimmungen und Reize in das Leben von William (Daniel Auteuil, „Caché“) und Madeleine (Sabine Azema, „Das Leben ist ein Chanson“). Er, ein frühpensionerter Meteorologe, sie, eine Hobbymalerin, drohen, nach dem Auszug der gemeinsamen Tochter in ein Vakuum zu fallen. Zufällig begegnet Madeleine beim Malen in freier Natur einem Blinden. Es ist der Bürgermeister aus dem nächsten Kaff und seine Wahrnehmung scheint die anderer Menschen weit zu überragen. Er orientiert sich an Luftströmen und macht über sie die Formen aus. „Reden Sie mit mir, die Luft wirbelt herum. Entschuldigen Sie, der Duft der Farbe überdeckte Ihr Parfüm.“

Adam (Sergi Lopez, „Harry meint es gut mit dir“), unsicher in der Bewegung, aber sicher in der Erkenntnis, zeigt Madeleine ein verfallenes Haus, das zum Verkauf steht. Die liebliche Landschaft am Fuße der Alpen löst neue Empfindungen bei Madeleine und William aus. Bei ihrem ersten Besuch dort finden sie sich unverhofft zu einer Liebe am Nachmittag zusammen.

Jeder Schritt aus dem alten Leben heraus zieht mit großer  Selbstverständlichkeit den nächsten Schritt in unbekanntes Terrain nach sich. Geldsorgen oder andere Probleme liegen sowieso nicht an. Über das Vorleben der beiden fällt kaum ein Wort. Während sich Madeleine leichtfüßig in das neue Dasein hineinfindet, braucht William, der mit seinem dicken Bauch und stierem Blick etwas unbeholfen wirkt, eine längere Anlaufzeit: „Seit ich nicht mehr arbeite, habe ich nichts mehr zu erzählen“. Wenn er sich eine Zigarette anzündet und von seinen Freunden gefragt wird „Rauchst du wieder?“ antwortet er jedesmal hartnäckig „Nein!“.

Adams Frau heißt Eva (Ex-Modell Amira Casar, „Anatomie de l‘enfer“), ist eine dunkle Schönheit mit großen warmen Augen und bietet  sich Madeleine gleich scheu als Aktmodell an. Ihr Mann zeigt William und Madeleine, wie sie sich in der Dunkelheit des Waldes zurechtzufinden. Mit Adam und Eva - die Namen sind Programm - entdecken sie, nach einem der vielen reichhaltigen Essen im stilvollen Ambiente, das Paradies, die Liebe zu viert. Der  Weg in die Dunkelheit, in das Unbekannte ist ein vorsichtiges Sich-Vorantasten.

Durch die Bekanntschaft mit dem ungewöhnlichen Paar schlagen sich die Ereignisse über den Köpfen von Madeleine und William zusammen. Das Haus von Adam und Eva brennt ab, Madeleine und William nehmen sie bei sich auf. Eva und Adam wollen auf der Pazifikinsel Futuna ein neues Leben beginnen, William und Madeleine möchten folgen, vorher kreuzt  noch ihre Tochter auf, um bei ihnen auf dem Lande zu heiraten. Die neuen Interessenten für das Haus entpuppen sich als professionelles Swingerpärchen („Wir treffen uns nie ein zweites Mal mit einem Paar“). Offene Liebesspiel-Szenen im Badezimmer driften ins Billige ab. Nachdem das Pärchen wieder aus dem Hause ist, fällt Madeleine und William ein, dass sie ja auch gut  in Frankreich bleiben könnten. Im Pazifik würden ihnen ja „der Charme der Jahreszeiten“ fehlen. Offenbar ist die Beziehung zu Adam und Eva doch oberflächlicher Natur. Aber was war eigentlich vorher? Welches Leben haben sie aufgegeben? 

Spätestens hier verlässt die Geschichte den Schwebezustand und rutscht ab in Peinlichkeiten. Ein ländlicher Swingerclub im Schöner-Wohnen-Ambiente. Phrasen, die sich zu einem esoterischen Wust verknäulen. Bis zu diesem seichten Ausgang aber haben die Brüder Larrieu („Un homme un vrai“, „La naissance de la fiction“) eine knisternde Atmosphäre aufgebaut, in der jede Lebenswendung und -erneuerung möglich scheint. 

Dorothee Tackmann