Meine schrecklich verwöhnte Familie

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Die unterhaltende Komödie des französischen Regisseurs Nicolas Cuche bringt Farbe in graue Novembertage. Besonders Hauptdarsteller Gérard Jugnot („Die Kinder des Monsieur Mathieu“ ) als reicher Vater, der seinen verwöhnten Sprösslingen eine Lektion erteilen will, agiert mit bemerkenswerter Spiellust. Darüber hinaus machen absurd skurrile Situationen Laune, wenn seine bereits erwachsenen Kinder sich in der normalen Arbeitswelt bewähren sollen. Am Ende freilich muss sich der Erzeuger aber auch selbst Kritik gefallen lassen. In Mexiko avancierte der Streifen zum Kinohit. Die französische Adaption über Familie, Kinder und das liebe Geld punktet mit erfrischendem Esprit und Charme.

Website: https://www.meineschrecklichverwöhntefamilie.de/

Pourris gâtés
Frankreich 2021
Regie: Nicolas Cuche
Drehbuch: Nicolas Cuche, Laurent Turner
Darsteller: Camille Lou, Gérard Jugnot, Artus, François Morel, Eléa Clair, Tom Leeb, Louka Meliava
Länge: 95 Minuten
Verleih: Telepool, Vertrieb: 24 Bilder
Kinostart: 12.05.2022

FILMKRITIK:

Monaco, ein kleines Paradies, für alle Betuchten. Doch seit seine Frau gestorben ist, entgleiten Francis Bartek (Gérard Jugnot) die Dinge. Einerseits kommt der Millionär nicht über ihren Tod hinweg. Er kann einfach nicht loslassen und spricht mit dem Konterfei der Verstorbenen. Andererseits regen den erfolgreichen Patriarchen, die Eskapaden seiner drei Sprösslinge immer mehr auf. Die eigentlich schon erwachsenen Kinder bekommen als verwöhnte, verschwenderische Tagträumer ihr Leben nicht in den Griff. Das Geld des Papas im Hintergrund machen sie sich wenig Gedanken über ihre Zukunft.

Tochter Stella (Camille Lou) lässt sich von einer Edelboutique zur nächsten chauffieren, hält ihren halbseidenen Gigolo Juan Carlos (Tom Leeb) aus und schikaniert die Hausangestellten. Salonrevoluzzer Alexandre (Louka Meliava) fliegt von jeder Uni. Statt seine Vorlesungen zu besuchen, zieht er es vor, die Mütter seiner Kommilitoninnen zu beglücken, während diese ihm seine Hausaufgaben machen. Und Philippe, der eigentlich später das Firmenimperium übernehmen soll, präsentiert seinem Vater eine absurde Idee nach der anderen als Verkaufsschlager. Gleichzeitig hat auch er nur Parties und schnelle Sportwagen im Kopf.

Als Stella auf ihrer Geburtstagsparty, aus Trotz, die Verlobung mit ihrem windigen Latin Lover bekannt gibt, Philippe seinen simplen Auftrag in den Sand setzt, weil er lieber mit seinen Kumpels feiert und der Dekan der Uni ihm klarmacht, dass Alex nicht nur mit seiner Frau sondern auch mit seinen beiden Töchtern schläft, erleidet er einen Herzinfarkt. Aber selbst an seinem Krankenbett streiten seine Kinder nur miteinander. Francis ist restlos bedient. Zusammen mit seinem Companion Ferrucio heckt er einen Plan aus.

Zwei Monate später stürmt die Polizei seine Villa. „Kinder hierher, wir fliehen durch die Hintertür“, ruft er als Retter seinen völlig verzweifelten Sprösslingen zu. „Wir sind pleite, wir müssen ins Gefängnis“, eröffnet er ihnen. Draußen schnappt er sich ein vorbeifahrendes Auto und fährt mit ihnen nach Marseille in das alte, heruntergekommene Haus seines eigenen Vaters. Als einfacher Maurer startete dort einst seine Karriere. Nun sollen seine Kinder hier, weit weg von Luxus, Handys und ohne einen Cent in der Tasche, lernen, auf eigenen Beinen zu stehen.

„Was tun wir jetzt?“, jammert das leicht flippige Vater-Töchterchen Stella. „Etwas was ihr noch nie im Leben gemacht habt: arbeiten“, erwidert Francis cool. Schon der erste Tag ist ein Desaster. Stella versetzt Philippes Uhr und shoppt noch mal so richtig. Alexandre und Philippe kümmern sich um nichts. Nachdem es deshalb wieder nur gebackenen Toast in fetten Öl gibt, machen sich zumindest Stella und Philippe auf Arbeitssuche. Was ihnen zunächst mit ihren irrealen Vorstellungen schwer fällt, entwickelt sich mit der Zeit. Sie entdecken neue Seiten an sich. Und schließen neue Freundschaften. Sie scheinen es zu schaffen.

Doch dann fliegt das Umerziehungsprogramm des Papas auf. Gleichzeitig wird klar, dass nicht nur die Kinder ihre Lektion lernen müssen, sondern auch ihr Vater. Denn von ihren Problemen hat er kaum etwas mitbekommen. Schließlich war er die meiste Zeit mit seiner Firma beschäftigt. „Wie widersteht man der Versuchung der Marken, der Mode, des übermäßigen Konsums? Ich finde, der Stoff vermittelt das auf amüsante und pointierte Art und Weise“, so Regisseur Nicolas Cuche. Tatsächlich unterhält seine Adaption des mexikanischen Kinohits mit einem kräftigen Schuss Situationskomik. Besonders Hauptdarsteller Gérard Jugnot agiert mit sehenswerter Spiellust.

Kaum zu glauben, dass schon Kultregisseur Luis Buñuel, der Meister des surrealen Kinos, sich im mexikanischen Exil mit dieser Thematik auseinandersetzte. Seine Komödie „El Gran Calavera“, übersetzt „Der große Lebemann“ handelt von einer kapitalistischen Familie, die sich zum Zweck moralischer Belehrung wechselweise Possen von Bankrott und Verelendung vorspielt. Damit zeigt sich, dass das einflussreiche Werk des sozial engagierten Filmemachers und Oscarpreisträgers viele Facetten aufzuweisen hat.

Luitgard Koch