Mitgift

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Im Frühjahr 1990, wenige Monate nach dem Untergang der DDR, begann der Kameramann und Filmemacher Roland Blum eine sehr persönliche Reise von Bitterfeld über Leipzig bis zum Brocken. Seiner Kamera präsentierte sich ein Land, das nicht nur politisch, wirtschaftlich und moralisch am Ende war, sondern auch vor dem ökologischen Zusammenbruch stand. Er wiederholte die Reise in den Jahren 2000 und 2013 und dokumentierte die erstaunliche Wandlung, die die Städte und Landschaften nahmen.

Webseite: www.mitgiftderfilm.de

Deutschland 2013
Buch und Regie: Roland Blum
Kamera: Wolfgang Lindig, Norbert Kleiner
Produktion: Roland Blum
Länge: 96 Minuten
Verleih: Film Kino Text
Kinostart: 6. März 2014

PRESSESTIMMEN:

"Eine aufschlussreiche Umwelt-Dokumentation mit hohem Informationswert. - Prädikat: wertvoll."
Filmbewertungsstelle Wiesbaden

FILMKRITIK:

In den „Silbersee“ bei Wolfen ragen dicke Rohre, aus denen sich die giftigen Abwässer der benachbarten Filmfabrik ergießen. Gleich daneben wohnen Menschen. In der Region Bitterfeld lösen Chlorpartikel in der Luft die Feinstrumpfhosen der Damen auf. In Leipzig und Umgebung leiden viele Kinder an chronischer Bronchitis, das stark gechlorte Trinkwasser muss stundenlang abgekocht werden. Die Elbe ist eine Kloake, in der tote Fische und hochgiftige Substanzen treiben. Das Atomkraftwerk Lubin hat aus Sicherheitsbedenken drei seiner vier Reaktoren heruntergefahren. 1990 bietet sich dem Filmemacher Roland Blum ein, wie er es formuliert, „zerschlissenes Land“. In den folgenden Jahren setzt eine erstaunliche Veränderung ein, die man so vor fast 25 Jahren nicht ansatzweise erahnen konnte.

Es sind in der Tat unglaubliche Bilder, die Blum von der Situation 1990 zeigt. Vor allem die Aufnahmen von Leipzig, das fast komplett unter einer Dunstglocke verschwindet, schockieren. Auch die Aufnahmen der schwarzen Elbe oder von heruntergewirtschafteten Fabriken mit lecken, verrosteten Rohrsystemen unterstreichen seine spannende These: Die DDR war nicht nur am Ende, weil die Menschen nach Freiheit und einem besseren Leben verlangten. Sondern auch, weil das Leben in der zerstörten Umwelt die Gesundheit bedrohte. So wurden auch Umweltgruppen zu einem Motor für den Widerstand gegen eine Staatsmacht, die den Wettlauf mit dem Westen unbedingt gewinnen wollte und deshalb die Augen vor den Schäden der Natur verschloss.

Blum stellt diese Bilder in den Kontext einer Langzeitbeobachtung und führt so ganz unmittelbar vor Augen, wieviel sich tatsächlich geändert hat. Man kann sich nur die Augen reiben angesichts der sanierten Altstädte von Güstrow und Leipzig oder der Pracht der Schorfheide bei Chorin, die heute als Biosphärenreservat ausgewiesen ist. Fast an allen Stellen, die Blum wieder aufsucht, ist die Natur aufgeblüht. Er trifft Menschen, die an dieser erstaunlichen Verwandlung mitgearbeitet haben. Menschen wie den Biologen Michael Succow, der 1990 Stellvertreter des Ministers für Umweltschutz war und auf dessen Betreiben in der letzten Ministerratssitzung vor seiner Auflösung das Nationalpark-Programm beschlossen wurde, dem zufolge sieben Prozent der Fläche der DDR in Parks oder Reservate umgewandelt wurden.

Roland Blums Film leidet etwas unter dem wortreichen Kommentar des Regisseurs. Man wünschte sich, er würde seine unglaublichen Bilder mehr für sich selbst sprechen lassen. Auch verliert der Film dramaturgisch stellenweise den Faden. Aber das ändert nichts an dem Verdienst, der Blum dafür gebührt, dass er einer wenig beachteten Entwicklung der Geschichte der deutschen Wiedervereinigung die Beachtung schenkt, die sie verdient. Sein Film zeigt, welchen Einfluss umweltpolitische Gruppierungen auf die Gestaltung der Zukunft der ehemaligen DDR nehmen konnten. Er verschweigt nicht die immensen Probleme, die auch heute noch aus dem Gegensatz zwischen wirtschaftlichen Interessen und denen des Naturschutzes entstehen. Aber er lenkt den Blick, selbst leicht ungläubig und durchaus stolz, auf das Erreichte. Blum zeigt, welche positiven Effekte die so oft geschmähte Wiedervereinigung brachte. Und darüber hinaus, das Veränderung möglich ist, auch wenn sie unmöglich erscheint. Im Hinblick auf die immensen Umweltprobleme der Welt ein gern entgegen genommener positiver Ausblick.

Oliver Kaever