Mondverschwörung, Die

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Regisseur Thomas Frickel schickt nach „Deckname Dennis“ erneut den Amerikaner Dennis Mascarenas durch die deutsche Lande auf eine Erkundungsreise durch die Esoterikszene. Was als skurriler Spaß beginnt, mit Immobilienhändler für Mondgrundstücke und geschäftstüchtigen Vollmondjüngern, bekommt beim Eintauchen in den braunen Esoteriksumpf eine erschreckende Note. Mit irrwitzig anmutenden Verschwörungsszenarien tummeln sich immer mehr Rechtsextreme im Bereich der Esoterik.

Webseite: www.wfilm.com

D 2010
Regie: Thomas Frickel
Darsteller: Dennis Mascarenas u.a.
85 Minuten
Verleih: W-Film

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Der amerikanische Reporter Dennis Mascarenas reist angeblich als Chefreporter für den deutschsprachigen US-Sender DDC-TV durch Deutschland, um eine Fernsehreportage über die unterschiedlichsten Mondverehrer zu machen. In Wahrheit greift der deutsche Regisseur Thomas Frickel zu diesem Kunstgriff, um die Auskunftsfreudigkeit der Befragten zu steigern. Tatsächlich weckt der opulente Amerikaner, der von seiner Statur und dem Auftreten an Michael Moore erinnert, genug Vertrauen bei seinen Interviewpartnern. Die plaudern denn auch ohne Argwohn über das Geheimnis von Vollmondcreme und Mondgymnastik. Ein anderer Gesprächspartner verteidigt seine Besitzansprüche auf den Mond, mit dem Hinweis, dass Friedrich der Große diese seinem Vorfahren übertragen hätten.

Im ersten Teil der Dokumentation sammeln Frickel und Mascarenas viele solcher komischen Eindrücke aus der boomenden Esoterikszene. Ihr Film zeigt, wie leicht man mit der Gutgläubigkeit der Menschen Geld verdienen kann. Die Dokumentation macht auch deutlich, dass sich in Zeiten des Internets längst mediale Parallelwelten zum offiziellen Medienbetrieb etabliert haben. Bis dahin bringt die Persiflage auf die markschreierischen Enthüllungsreportagen den Betrachter als absurd-komische Nummern-Revue vornehmlich zum Staunen und Schmunzeln. Doch spätestens, wenn Mascarenas ganz tief in den braunen Sumpf eintaucht, bleibt dem Zuschauer das Lachen im Halse stecken.

Erschreckender als der ein oder andere geschäftstüchtige Esoteriker sind die Interviewszenen aus dem Lager rechtsradikaler und antisemitischer UFO-Freunde, bei denen die politische Paranoia („alle deutschen Politiker sind Juden“; „die jüdische Verschwörung hat alle Euroscheine mit Gift präpariert“) bizarre Blüten treibt. Frickels Einblicke in den rechtsradikalen Esoteriksumpf ist schockierend, auch wenn die Relevanz der einzelnen Interviewten nicht wirklich deutlich wird. Sind dies nur wenige Spinner, die ihre persönliche Paranoia politisch färben oder entwickelt sich dort eine reale Gefahr. Immerhin halten Kenner der Szene die Esoterik derzeit für „das gefährlichste Einfaltstor des Rechtsextremismus“. Hier konzentriert sich die abwechslungsreiche Dokumentation vielleicht etwas zu sehr auf die absurdesten Beispiele, deren hoher Unterhaltungswert nicht unbedingt ihre Bedeutung widerspiegelt. Harmlos, wie Vollmondfriseusen, ist die esoterische Rechte, das macht Frickel deutlich, auf keinen Fall.

Norbert Raffelsiefen

Der Mond wird besungen, bedichtet, trotz der Mondlandungen vor 30 Jahren nach wie vor für geheimnisvoll gehalten. Es gibt Menschen, die bestimmte Arbeiten nur nach dem Stand des Mondes verrichten, die gewisse Gymnastikübungen nur nach dem Sternzeichen ausführen, die gerade mit dem Mond in Verbindung sind; es gibt Mondwasser, das nur bei Vollmond abgefüllt wird; es gibt Kosmetika, die nach der Herstellung bei Voll- oder Neumond von einer bestimmten mit dem Mond zusammenhängenden Pyramide bestrahlt werden; usw.

Der Dokumentarfilmer Thomas Frickel – sein „Brüsewitz“ ist, obwohl schon lange her, noch gut in Erinnerung – ging mit dem amerikanischen Journalisten R. D. Mascarenas diesen Fragen nach, und zwar (zunächst) nicht mit Amüsement über diese Kuriositäten. Mascarenas hört vielmehr an den verschiedensten Orten den verschiedensten Menschen zu den verschiedensten Dingen aufmerksam und scheinbar seriös zu. Das alles ist, zumindest im ersten Filmteil, ebenso informativ wie köstlich.

Dann allerdings geht es im zweiten Teil nicht mehr um den die Gezeiten regelnden Mond, sondern um Esoterik, um psychopathische Störungen, um Paranoia, ja sogar um ein „Einfallstor zum Rechtsextremismus“. Denn dann kommen Typen zu Wort, die an Ufos und deren Mutterschiffe glauben; die annehmen, dass im Erdinneren Atlantis-Überreste schlummern; die von der „sogenannten Bundesrepublik Deutschland“ sprechen; die davon ausgehen, dass Hitler am Südpol noch lange lebte; die behaupten, die ganze Welt sei jüdisch unterwandert; die felsenfest davon überzeugt sind, dass wir alle von satanischen Mächten mit Plutonium verseucht werden; die hoffen und wollen, dass die Nazis und das „Deutsche Reich“ zurückkommen; die wissen, dass das Jüngste Gericht von den Nationalsozialisten abgehalten werden wird.

Da wird es dann nicht mehr nur informativ und köstlich, sondern unheimlich und erschreckend. Doch auch das dient der Information. Denn es erschien auf Anhieb ja unmöglich, dass in unserem Land Derartiges geschieht.

Man kann Frickel dankbar sein, dass es diesen Film gibt. Man muss ihm allerdings auch ernsthaft ankreiden, dass er einen Teil seiner Arbeit zur puren Abnormitätenschau verkommen ließ. Denn der Rechtsextremismus beispielsweise steckt anderswo – nicht in diesen kranken Menschen.

Dennoch: Der Film ist sehenswert, vor allem übrigens auch weil R.D. Mascarenas durchgehend so souverän und überzeugend auftritt.

Thomas Engel