Paris Paris

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Die Kraft der Poesie und die Solidarität der kleinen Leute beschwört Regisseur Christopher Barratier in seiner nostalgischen Reise in das Paris der Dreißigjahre. „Monsieur Mathieu“ Gérard Jugnot kämpft mit zwei Freunden um den Erhalt eines kleinen Musiktheaters, dessen Existenz durch die Rankühle eines faschistischen Immobilienhais bedroht ist. In seinem Paris der Proletarier wird heftig gestritten, gesungen und geliebt

Webseite: www.paris.film.de

Regie: Christophe Barratier
Frankreich 2008
Mit: Gérard Jugnot, Clovis Cornillac, Kad Merad, Nora Arnezeder, Bernard-Piere Donnadieu, Maxence Perrin, Pierre Richard
120 Minuten
Verleih: Constantin Filmverleih
Start: 27.11.2008

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Filme über Paris sind zurzeit schwer in Mode. Das weiß auch der französische Regisseur Christophe Barratier („Die Kinder des Monsieur Mathieu“), der für seinen Film die Metropole an der Seine als perfekte Kulisse für ein Kinomärchen benutzt. Sein Paris aus dem Jahre 1936 speist sich gleichermaßen aus der Historie und den Bildern, die das Kino und Theater im Laufe der Jahre kreierten. Wahrheit und Fiktion, Nostalgie und Zeitcolorit ergänzen sich dabei auf vergnügliche Weise. Die Stadt wird zur Bühne für eine Revuereise in die Vergangenheit. 

Man schreibt das Frühjahr 1936. Ein Datum, das in Frankreich für eine Zeit des Aufbruches und der Umwälzung steht, wie sonst nur noch der Mai 1968. Die Leute im (fiktiven) Arbeiterviertel Faubourg feiern den triumphalen Wahlsieg der linken Volksfrontbewegung unter Leon Blum. Nur bei den drei Freunden Pigoil (Gérard Jugnot), Milou (Clovis Cornillac) und Jacky (Kad Merad) fällt die Freude verhalten aus. Die Stimmung ist getrübt, denn seit der fatalen Silvestervorstellung im Musiktheater „Chansonia“ stehen die drei ohne Arbeit da. Damals hat sich der Besitzer zum Jahreswechsel das Leben genommen, weil ihm der kriminelle Immobilienhai Galapiat (Bernard-Pierer Donnadieu) sein Theater abgeluchst hat. Seitdem ist die Bühne geschlossen und wartet auf den Abriss. Für den biederen Bühnenarbeiter Pigoil kommt es in jener Schicksalsnacht gleich knüppeldick, denn seine Frau brennt mit dem Star des Ensembles durch. Und weil Pigoil in den folgenden Monaten seine Trauer mit zuviel Wein betäubt, entzieht ihm das Amt auch noch das Sorgerecht für den einzigen Sohn Jojo (Maxence Perrin). 

Als letzten Ausweg sucht die Belegschaft die Flucht nach vorn. Das Theater wird besetzt und mit eigenen Mitteln wieder eröffnet. Galapiat, der die französischen Faschisten unterstützt und für seine künftige Politkarriere um ein besseres Image bemüht ist, lässt die Leute zuerst einmal gewähren. Pigoil stürzt sich mit dem Mute der Verzweiflung in das Projekt. Scheint doch eine erfolgreiche Wiedereröffnung der Schlüssel dafür zu sein, den Sohn wieder zurückzubekommen. Doch schon beim Casting wird klar, dass die kleine Bühne mit ihrem schmalen Budget nur Amateure anzieht. Die Show wird denn auch zum veritablen Flop, obwohl zumindest die junge Sängerin Douce (Nora Arnezeder) Akzente setzt. Das erneute Scheitern des Theaters bringt die drei Freunde auf Abwege: während Jacky mit den Faschisten kokettiert und der linke Gewerkschaftler Milou sich einen gefährlichen Konkurrenzkampf mit Galapiat um die Gunst der schönen Douce liefert, steigt ein lebensmüder Pigoil auf das Dach des Theaters...

Auch wenn Regisseur Christophe Barratier erneut seinen Star aus „Die Kinder des Monsieur Mathieu“ Gérard Jugnot in den Mittelpunkt rückt, so ist sein neuer Film doch in erster Linie eine bunte Revue des Frankreichs der 1930er Jahre denn ein weiteres Rührstück. Anfangs etwas überzuckert, liefert sein Film mit fortlaufender Dauer ein zunehmend überzeugendes Plädoyer für „unmoderne“ Werte wie Solidarität und soziale Gerechtigkeit. Das mag zwar teilweise als linke Folklore daherkommen, ist aber in seinem Selbstverständnis durchaus ernst gemeint. Für einen ironischen Blick auf die Zeit ist Barratier ohnehin der falsche Mann, auch wenn diesmal der Humor nicht zu kurz kommt. 

Natürlich darf in einem Film von Barratier der Gesang nicht fehlen, diesmal vor allem in Form von fröhlichen Chansons, die eigens für den Film geschrieben wurden und dennoch so wirken, als wären sie Klassiker. Nicht nur die Lieder, auch eine deutliche Hinwendung zum physischen Kino verleiht dem Film die nötige Frische und Lebendigkeit. Der Amerikaner Tom Stern, sonst u.a. für Clint Eastwood („Mystic River“) auf Bilderfang, findet mit seiner Kamera genau die richtige Mischung zwischen Poesie und proletarischen Milieubildern, wie es damals Zille mit dem Zeichenstift für Berlin gelang. Barratier jedenfalls gibt sich alle Mühe, seine musikalische Revue nicht angestaubt daherkommen zu lassen. Ein wenig mehr aus einem Guss hätte sein Plot aus dem proletarischen Paris schon sein können, aber Barratiers Publikum aus „Monsieur Mathieu“-Zeiten dürfte an dieser Art nostalgischem Kino sicherlich seinen Gefallen finden. 

Norbert Raffelsiefen

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Silvesterabend 1935 im Pariser Varieté-Theater „Chansonia“. Mit Musik, Tanzen, Lachen und Champagner wird gefeiert, was das Zeug hält. Hinter den Kulissen allerdings brodelt es. Der Beleuchter Milou, überzeugter Kommunist, ruft wegen ausstehender Löhne die Belegschaft zum Streik auf. Es ist die Zeit der Volksfront, der politischen Unruhen, des Faschismus, des Antisemitismus.

Und noch etwas passiert im Hintergrund. Der Miethai Galapiat erpresst den Theaterdirektor. Der weiß keinen Ausweg mehr, als sich Punkt zwölf zu erschießen. Das Theater muss dicht machen.

Im Frühjahr trommelt Jacky, einer aus der Belegschaft, die „Chansonia“-Mitglieder wieder zusammen. Sie wollen einen neuen Anlauf nehmen. Einer fehlt – Pigoil. Seine Frau hat ihn verlassen, man hat ihm seinen Akkordeon spielenden Sohn Jojo weggenommen, auch seine Wohnung wird ausgeräumt. Bleibt mit der Zeit nur der Suff.

Mit der Premiere nach dem neuen Anlauf hat man Glück. Denn die junge Sängerin Douce erweist sich als Volltreffer. Doch rasch verdunkelt sich der Himmel. Milou und Galapiat sind harte Konkurrenten um die Gunst von Douce. Diese ist denn auch bald auf und davon. Wieder gehen im Theater die Lichter aus.

Die politische Situation ist brenzlig. Die Faschisten haben Zulauf. Jacky, zunächst als einer der ihren verdächtigt, sagt ihnen die Meinung. Gottlob gibt es da noch den alten Monsieur Radio, der seine Wohnung seit 20 Jahren nicht verlassen hat. Er schreibt neue Lieder. Also kann im alten „Chansonia“, jetzt „Faubourg 36“, auch erneut eine Revue starten. Ein voller Erfolg. Doch Pigoil erledigt noch etwas Schlimmes. Und dafür muss er büßen. 

Schnittstellen sind die vielen „altmodischen“ Chansons, die heikle politische Situation jener Zeit, die Liebeskonkurrenz zwischen Galapiat und Milou, die Komik des Jacky, die Leiden des Monsieur Pigoil sowie die gelungenen Musical- und Massenszenen.

Eine zwingende dramaturgische Logik besteht nicht. Immerhin sind aber die Einzelbestandteile zu einem lebhaften Potpourri zusammengefügt, das doch eine gute Regieleistung bezeugt, sehr unterhaltsam geworden ist und eine die Epoche widerspiegelnde Ausstattung aufweist, die weit über dem Durchschnitt liegt.

Niveau beweisen die Darsteller: Gérard Jugnot als Monsieur Pigoil, Clovis Cornillac als Milou, Kad Merad als Jacky, Nora Arnezeder als Douce, Pierre Richard als Monsieur Radio und Maxence Perrin als Jojo.

Thomas Engel