Rum Diary

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Das farbensatt inszenierte Abenteuerkino „Rum Diary“, mit Superstar Johnny Depp in der Hauptrolle, erzählt die höchst aktuelle Geschichte vom Ende der Unschuld Amerikas. Dabei transportiert die gelungene Verfilmung des Kultromans von Hunter S. Thompson nicht nur den alkoholisierten Zickzack-Kurs zwischen Überdruss und Lebensgier, sondern auch die Arroganz des American Way of Life. Als desillusionierter Journalist gerät Johnny Depp auf Puerto Rico in ein Delirium aus fiebriger Hitze und klebriger Korruption, während die Insel zum amerikanischen Spekulationsobjekt verkommt.

Webseite: www.wildbunch-germany.de

USA 2011
Regie: Bruce Robinson
Kamera: Dariusz Wolski
Darsteller: Johnny Depp, Amber Heard, Aaron Eckhart, Giovanni Ribisi, Richard Jenkins, Michael Rispoli, Amaury Nolasco, Marshall Bell, Bill Smitrovich.
Länge: 120 Minuten
Verleih: Wild Bunch
Kinostart: 2. August 2012

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Puerto Rico, Anfang der 60er Jahre, dem Ende der Eisenhower-Ära. Der desillusionierte Reporter Paul Kemp (Johnny Depp) flieht aus dem schicken New York, um bei der Gazette „San Juan Daily“ anzuheuern. Dort landet der 32jährige Junggeselle in einer Redaktion voll Gestrandeter, Abenteurer und mutloser Idealisten. Das Tropenblatt kämpft permanent ums Überleben. Hinter den palmengesäumten Kulissen von Investition und Aufschwung lauern bereits Korruption und Verfall. Der Fortschritt in Gestalt des neuen Massentourismus marschiert, flankiert von Lobbyisten, die im Hintergrund die Fäden ziehen und sich geschickt das Wohlwollen der Journaille sichern, mal offen mit Geld, mal verdeckt mit Kontakten.

Und auch Kemps neues Leben in der Karibik entwickelt sich bald zu einer wilden Reise an die Grenzen seiner Möglichkeiten, zwischen Sonne, Rum, der Verführungskraft schöner Frauen und der Ahnung vom drohenden Untergang. An seinem jähzornigen Chefredakteur Lottermann (Richard Jenkins) arbeitet er sich erfolglos ab. Ihm fehlt die Energie Storys durchzudrücken, die seinem Chef nicht ins politische Weltbild passen. Dagegen findet er in seinem trinkfreudigen Kollegen, dem Photographen Sala (Michael Rispoli) und dem ausgeflippten Moburg (Giovanni Ribisi), der trotz seiner Entlassung immer noch in der Redaktion auftaucht, Gesinnungsgenossen.

Als er sich jedoch Hals über Kopf in die überaus attraktive Chenault (Amber Head) verliebt, überschlagen sich die Ereignisse. Denn sein Objekt der Begierde ist bereits vergeben. Der aalglatte Immobilienhai Sanderson (Aaron Eckhard) schmückt sich mit der Femme Fatale und hält sie im Goldenen Käfig. Auch Kemp lockt der dekadente Unternehmer mit einem lukrativen Angebot: gutbezahlte Public Relation-Arbeit, um seine zwielichtigen Spekulationsgeschäfte zu vertuschen. Doch irgendwann im rumgetränkten Chaos des fiebrigen Settings muss Kemp sich für eine Seite entscheiden: Unterstützt er die korrupten Machenschaften oder lässt er das mafiöse Unternehmen auffliegen.

Mit der gelungenen Adaption des Kultromans von Hunter S. Thompson setzt Superstar Johnny Depp dem legendären Gonzo-Journalisten bereits zum zweiten Mal ein filmisches Denkmal. Wer jedoch einen kafkaesken, psychedelischen Drogenfilm erwartet, wie ihn Regisseur Terry Gilliam 1998 mit „Fear and Loathing in Las Vegas“ inszenierte, wird enttäuscht. Die Stimmung des an Hemingway erinnernden Karibikdramas mit paradiesischen Bildern von palmengesäumten weißen Sandstränden samt türkis-kristallklarem Wasser ist wesentlich mehr als eine Projektionsfläche für Drogentraum und Alkoholexzess. Sie wechselt zwischen humorvoll-ironischer Beschreibung des Journalistenalltags, düsterer Selbstbetrachtung und scharfer Beobachtung der gesellschaftlichen Entwicklung.

Johnny Depps erneute Hommage an den amerikanischen Autor Hunter S. Thompson verwundert freilich nicht. Fraglos passt sein Selbstbild – rebellisch, mit Ecken und Kanten -, perfekt zum Image des Kultschreibers der Hippie-Bewegung. Als ewiger Rebell und Outlaw-Moralist entlarvte Thompson den amerikanischen Traum als gescheitertes Unterfangen und deckte in seinen Reportagen schonungslos Intrigen im politischen Machtkampf auf. Dabei verband er seine Kritik an der amerikanischen Gesellschaft meist mit der Schilderung eigener Grenzerfahrungen unter Drogenkonsum.

Schauspieler, Regisseur und Musiker Depp zählt mittlerweile längst zur Elite Hollywoods. Sein intensives Spiel und das Gespür für schwierige Charaktere brachten ihm zwei „Oscar“-Nominierungen und bereits sechs „Golden Globe“-Nominierungen ein. Konzentriert und zurückgenommen spielt der Profi den verlorenen modernen Helden, ähnlich ambivalent wie die Charaktere des „film noir“. Obwohl Depp in der vergangenen Zeit nicht viel Gelegenheit hatte romantische Anziehungskraft zu zeigen, stimmt diesmal die Chemie mit der 26jährigen aufregenden Hollywoodschönheit Amber Head („All the Boys love Mandy Lane“).

Sein Image ist zwar durch koboldhaft exzentrische Rollen bei Tim Burton oder als Pirat der Karibik festgelegt, doch seine Paarung mit der aparten Blondine ist nicht nur Behauptung sondern echte knisternde Erotik. Gleichzeitig verkörpert der 48jährige immer noch ein kollektives Coolnessideal. Vor allem, wenn er mit der aufreizenden Amber Head im makellos eleganten knallroten 1959er Chevrolet Corvette völlig lässig entlang der Karibikküste durchstartet. Dass sich seine Angebetete während des karibischen Karnevals im hypnotischen Slidegitarren-Sound des Delta-Blues „Let´s get funky“ beinahe im Dschungelfieber verliert, kann er trotzdem nicht verhindern.

Luitgard Koch

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