Sechs Tage unter Strom

Toilettenspülungen reparieren, Lüfter installieren, Wasserleitungen warten – So sieht der Job von Valero, Moha und Pep aus. Die spanisch-französische Koproduktion „Sechs Tage unter Strom“ begleitet die drei Handwerker in ihrem Arbeitsalltag in Barcelona. Und bei so manch groteskem Erlebnis bei ihren exzentrischen Kunden. Die charmante, mit entwaffnender Leichtigkeit inszenierte Komödie überzeugt durch ihren intelligenten Humor und die Glaubwürdigkeit ihrer Figuren.

Website: https://arsenalfilm.de/

Spanien, Frankreich 2021
Regie: Neus Ballús
Drehbuch: Neus Ballús, Ana Sanz-Magallón
Darsteller: Mohamed Mellali, Valero Escolar, Pep
Sarrà, Paqui Becerra, Pere Codorniu
Länge: 85 Minuten
Kinostart: 28.04.2022
Verleih: Arsenal

FILMKRITIK:

Valero (Valero Escolar), Moha (Mohamed Mellali) und Pep (Pep Sarrà) arbeiten als Installateure in einem Handwerksbetrieb in Barcelona. Immer wenn die Kundschaft ein Problem hat, werden sie gerufen und reparieren so ziemlich alles was im Haushalt kaputtgehen kann. Der Marokkaner Moha hat erst vor Kurzem mit dem Job begonnen und ist noch in der Probezeit, Pep hingegen steht kurz vor der Rente. Das Miteinander der Drei, die eine Woche lang zusammenarbeiten müssen, ist nicht immer einfach. Denn gerade Moha muss so manche Stichelei über sich ergehen lassen: von Seiten der Kunden aber vor allem von Valero, der ein Problem mit dem „Neuen“ und allerlei Vorurteile gegenüber Ausländer zu haben scheint. Können sich die Installateure zusammenraufen und die Woche überstehen?

Die katalanische Drehbuchautorin und Regisseurin Neus Ballús wirft in ihrem dritten abendfüllenden Spielfilm einen heiteren, ironischen Blick auf das von skurrilen Ereignissen geprägte (Arbeits-)Leben der drei Protagonisten. Authentizität und Glaubwürdigkeit sind ihr ein Anliegen und das erkennt man etwa an der Wahl ihrer Hauptdarsteller. Sie alle sind Laien-Schauspieler und zum Teil auch im echten Leben Installateure bzw. Handwerker. Sie nehmen den Zuschauer mit in ihren Arbeitsalltag, der sie zu den Kunden nach Hause führt. Dort reinigen sie verstopfte Rohre, montieren Schaltungen, installieren Überwachungskameras und bringen Klimaanlagen wieder zum Laufen.

Hinter verschlossener Tür erhalten sie darüber hinaus Einblicke in die Lebensrealität und -wirklichkeit der unterschiedlichsten Personen. Darunter eine Fotografin, ein Psychiater oder ein Rentner. Mit dieser Mannigfaltigkeit spiegelt der Film nicht zuletzt die Vielfalt jener Menschen wieder, die in den engen Gassen und bunten Stadtteilen der katalanischen Metropole Barcelona leben. Von (Überlebens-)Künstlern und mittellosen Studenten über Akademiker und Arbeitslose bis hin zum einfachen Arbeiter. Valero, Moha und Pep tauchen in den Mikrokosmos ihrer Kunden ein – und mit ihnen der Kinobesucher.

Bei den Kunden kommen es immer wieder zu teils höchst bizarren, überaus komischen Situationen, etwa wenn die Fotografin den schüchternen Moha als Model „zweckentfremdet“. Oder bei einem argentinischen Paartherapeuten, der spontan eine Analyse der schwierigen Beziehung zwischen Moha und Valero vornimmt – während gleichzeitig seine smarten Haushaltsgeräte und modernen technischen Anlagen außer Kontrolle geraten. In all diesen Momenten ist „Sechs Tage unter Strom“ eher geprägt von einem makabren, derben Humor, der aufgrund der unerwarteten Ereignisse und dank des Überraschungsmoments jedoch herrlich funktioniert.

Eher subtil und pointiert geht Ballús bei der Betrachtung des komplizierten Verhältnisses zwischen Moha und Valero vor. Man kann dem grobschlächtigen, wohlbeliebten Valero trotz seiner notorisch schlechten Laune, der Anzüglichkeiten und der teils unangebrachten Andeutungen seinem neuen Kollegen gegenüber, nie wirklich böse sein. Insgeheim trägt er das Herz am rechten Fleck. Außerdem verdeutlicht Ballús anhand dieser Figur, dass die Furcht vor dem „Fremden“ (Migranten) und existenziellen Sorgen auch im wahren Leben leider oft in Wut, Aggression sowie in von Vorurteilen geprägten Alltagsrassismus münden.

Bei genauerer Betrachtung behandelt „Sechs Tage unter Strom“ zudem sehr geschickt eine ganze Fülle an Themen, die die Sorgen und Nöte vor allem der einfachen, hart arbeitenden Menschen widerspiegeln. Es geht um die spanische Wirtschaftskrise, Konkurrenzkämpfe, die hohe regionale Arbeitslosigkeit und die Frage, was eigentlich nach der Pensionierung kommt.

 

Björn Schneider