The North Drift

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„The North Drift“ ist ein Dokumentarfilm über den Plastikmüll in den Weltmeeren und zugleich ein Roadtrip, den der Verleih treffend als „eine Art Call-to-Action-Film“ bezeichnet. Der Dresdner Filmemacher Steffen Krones trägt im Verlauf seines Experiments zu den Routen des Mülls bis in die Arktis viele Informationen zusammen, verzettelt sich aber bisweilen mit der nicht immer zielführenden Einbringung seiner persönlichen Perspektive.

Webseite: mindjazz-pictures.de/filme/the-the-north-drift

Deutschland 2022
Regie: Steffen Krones
Mitwirkende: Kris Louis Jensen, Steffen Krones, Erik van Sebille, Paul Weiss

Laufzeit: 92 Min.
Verleih: mindjazz pictures
Kinostart: 27. Oktober 2022

FILMKRITIK:

Auf einer entlegenen Insel mitten im Polarmeer machte Steffen Krones eine auf den ersten Blick erstaunliche Entdeckung: Nebst anderem Müll fand er eine angeschwemmte Bierflasche aus einem deutschen Supermarkt. Von diesem Fund inspiriert entschloss sich der Filmemacher dazu, den Weg des Plastikmülls von seiner Heimatstadt Dresden aus bis in die Arktis nachzuverfolgen. Dazu wirft er mit GPS-Sendern ausgestattete Bojen in die Elbe. Tatsächlich treiben vier der „Drifter“ bis in die Nordsee und von dort in den Atlantik. Krones reist zu den Fundorten, die Hotspots der Vermüllung sind.

Unterfüttert wird das Experiment von Gesprächen mit Expertinnen und Experten, darunter Ingenieure, eine Meeresbiologin oder eine Tiefseeforscherin. Die Fachleute informieren über neuste Erkenntnisse zu den Bewegungen treibender Objekte an der Meeresoberfläche oder der Verbreitung von Mikroplastik. Zusätzlich bringt sich Steffen Krones selbst ein, indem er seine Motivation erörtert, oft im Bild zu sehen ist und die Entstehung des Films kommentiert, der somit sein eigenes Making-of mitliefert.

 

Sinnig ist der individuelle Ansatz, weil der Meeresmüll sich natürlich nicht in nackten Zahlen und Fakten erschöpft, sondern letztlich die Menschen selbst betrifft. Aber nicht alle Infos und Aussagen von Personen, die Krones in verschiedener Weise unterstützen, sind relevant. Vom norwegischen Freund Kris sehen wir beispielsweise Kinderfotos und erfahren von seiner Leidenschaft für Kajaks. Nur wozu? Sein Mitwirken beschränkt sich auf Webcam-Telefonate zum Fortgang des Projekts und darauf, einen der Drifter an der norwegischen Küste zu bergen. Eine ähnliche Staffage ist das Treffen mit einem Jungen, dessen Flaschenpost Krones gefunden hat. Das Beisein des Kinds beim Start der Drifter mündet in eine triviale Szene, die Krones mit allzu ergriffener Musik unterlegt.

Der Werdegang des Regisseurs als Werbefilmer ist „The North Drift“ im Guten wie im Schlechten anzumerken. Allzu anpreisend wirkt die erwähnte weihevolle Musik, die selten verstummt. Auch die abschließende Aneinanderreihung gleich mehrerer Appelle an die Gesellschaft und die Politik wirkt dick aufgetragen. Überzeugend ist die Bildkomposition, darunter stimmungsvolle Aufnahmen von arktischen Sonnenuntergängen. Auch der kompakte Schnitt ist gelungen. Besonders stark sind einige wortlose Montagen, die Müllimpressionen aus Stadtparks, von Straßen und Stränden mit Aufnahmen ferner Küsten verbinden, wo das Treibgut aufläuft. Was in Dresden achtlos hingeworfen wird, strandet womöglich in der Arktis. Der Müll fällt nicht vom Himmel.

 

Christian Horn