wundersame Welt der Waschkraft, Die

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Ein Dokumentarfilm angesiedelt an der deutsch/ polnischen Grenze, eine Art Ergänzung zum Episodenfilm „Lichter“. Einmal mehr beschäftigen Hans-Christian Schmid Grenzgänge, die Veränderungen, die sich an einem speziellen Ort wie einer Grenze manifestieren. Am Beispiel der in Polen gewaschenen Wäsche Berliner Luxushotels erzählt Schmid von der Globalisierung, dem mühsamen Zusammenwachsen Europas und den Menschen, die mit neuen Begebenheiten umzugehen lernen müssen.

Webseite: www.waschkraft-der-film.de

Deutschland 2008 - Dokumentation
Regie und Buch: Hans-Christian Schmid
Kamera: Bogumil Godfrejow
Schnitt: Stefan Stabenow
Länge: 106 Minuten, Format: 1:1,85
Verleih: Piffl
Kinostart: 7. Mai 2009

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Wenn man durch Berlin fährt, sieht man sie oft: Lastwagen, die Container mit Schmutzwäsche ein oder solche mit frischer ausladen. Gerade die Luxushotels haben einen enormen Verbrauch an Wäsche, den zu Waschen ein nicht zu unterschätzender Posten im Budget ist. Und da das Sortieren und Zusammenfalten von Wäschestücken eine der wenigen Tätigkeiten ist, die noch nicht durch Maschinen oder Roboter erledigt werden können, also viel Personal benötigen, liegt der Gedanke nah, diese Branche dorthin auszulagern, wo die Löhne (noch) billiger sind.
So ähnlich dachte sich das der Wäschereiunternehmer Fliegel, der in der polnischen Kleinstadt Gryfino, gut 100 Kilometer nordöstlich von Berlin, unmittelbar hinter der deutsch-polnischen Grenze gelegen, die dortige Wäscherei übernommen hat. Rund 400 Frauen arbeiten hier zu Löhnen, die jeden deutschen Mindestlohn unterschreiten. Der Unternehmer erklärt das ganz pragmatisch: Gerne würde er in Deutschland, in Berlin arbeiten lassen, aber zu den Preisen, die seine Kunden zu zahlen gewillt sind, wäre es unmöglich, Geld zu verdienen, und so ist es günstige, jede Nacht Dutzende von Lastwagen den Weg über die Autobahn nehmen zu lassen.

Doch Hans-Christian Schmid geht es in seinem ersten Dokumentarfilm seit Ende seines Studiums nicht um eine offensichtliche Kritik der Globalisierung. Zusammen mit einem winzigen Team – dem polnischen Kameramann Bogumil Godfrejow, mit dem er auch bei „Lichter“ zusammenarbeitete und einer Übersetzerin – porträtiert er zwei Arbeiterinnen und ihre Familien. In bester „Cinema Vérite“-Manier beobachtet der Film Monika und Beata, zwei Frauen in den Vierzigern, und ihre Familien bei ihrem täglichen Tun. Beata lebt mit ihren drei Kindern und ihrem Freund und dessen Ex-Frau in einer kleinen Wohnung, in der es kaum möglich ist, sich aus dem Weg zu gehen. Ihre Mutter plant, für ein halbes Jahr nach England zu gehen und verkörpert mit ihren Träumen die ältere Generation. Komplettiert wird das drei Generationen umspannende Portrait von Monikas Tochter Marta, die gerade ihren Job bei Fliegel aufgegeben hat. Ihre Berufsaussichten sind düster, im Arbeitsamt hofft sie auf Unterstützung für eine Ausbildung zur Kosmetikerin, doch das eigene Geschäft, von dem sie träumt, wirkt wie eine Utopie.

Ähnlich wie in seinen Spielfilmen, vor allem natürlich dem in Frankfurt/ Oder und der polnischen Schwesterstadt Slubice angesiedelten „Lichter“, beweist Schmid auch in dieser Dokumentation sein großes Gespür für Nuancen. Sein Kino ist keins der großen Gesten und überdramatischen Ereignisse. Schmid vertraut ganz auf die Kraft des Gezeigten, auf den Sog, den scheinbar alltägliche Handlungen auslösen können, das Interesse, dass gerade vollkommen durchschnittlich anmutende Personen im Betrachter wecken können. Nicht nur als Ergänzung zu „Lichter“ ist „Die wunderbare Welt der Waschkraft“ sehenswert, sondern auch als freistehende Dokumentation, mit der Schmid die Themen, die ihn seit Jahren umtreiben, einmal in dokumentarischer Form verarbeitet.

Michael Meyns

Das Grenzgebiet zwischen Deutschland und Polen. Die Wäsche vieler Berliner Großhotels wird mit einem Dutzend Lkw täglich in eine polnische Kleinstadt gekarrt, dort gewaschen, gebügelt und pünktlich wieder versandfertig gemacht. Sieben Tage die Woche, 24 Stunden rund um die Uhr, bis zu 50 Tonnen pro Tag. An die 400 Arbeiterinnen und Arbeiter sind in der betreffenden Großwäscherei beschäftigt – Tagesschicht, Nachtschicht, Sonderschicht. Die Löhne sind bescheiden. Gründe des Profits sorgen dafür, dass diese Arbeit exportiert wird und entsprechend in Deutschland fehlt.

Wer sind die Menschen, die diesen Rhythmus und diese Strapazen auf sich nehmen? Hans-Christian Schmid hat sie aufgesucht, beobachtet, interviewt, einige von ihnen in einem Dokumentarfilm vorgestellt.

Beata beispielsweise, die drei Kinder im Schulalter und seit einigen Jahren wieder einen Freund hat, dessen Ex-Frau noch im gleichen Haus lebt. Beata ist ständig beschäftigt, überfordert, eigentlich ein Sch. . .leben. Doch sie hält tapfer durch.

Oder Monika. Sie ist nicht unglücklich, wie sie sagt. Sie arbeitet wie ihr frisch angetrauter neuer Mann im Schichtdienst. Es kommt deshalb vor, dass die beiden sich 30 Stunden nicht sehen. Sorgen macht Monika nur die Zukunft ihrer schon erwachsenen Tochter Marta, die ihren Job in der Wäscherei aufgegeben hat.

Oder Lidia. Sie ist Beatas Mutter, will ein paar Monate nach England, um etwas Geld dazuzuverdienen. Doch das Ganze wird zum Fehlschlag.

Hans-Christian Schmid macht keine Sensations- oder Kintopp-Filme. Er bleibt meist nah am gewöhnlichen Leben. So auch dieses Mal. Es ist ein ernüchternder, authentischer, ehrlicher, leicht depressiver Bericht, den er hier abliefert. Aber es geht eben nichts über die Realität und die Wahrheit.

Er zeigt, wie die Kinder oft allein zurechtkommen müssen; wie Beata erledigt ist; welche bescheidenen Wunschträume die junge Marta hegt; wie das Leben in der eher tristen Kleinstadt abläuft; wie sie alle unter der Trennung von Lidia leiden; wie schnell und knallhart die Arbeit in der Wäscherei verrichtet werden muss.

Ein realistischer Dokumentarfilm über in einen angespannten Arbeitsprozess einbezogene polnische Familien, der dem Kinozuschauer nichts vormacht.

Thomas Engel