Als wir die Zukunft waren

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Von sieben ganz persönlichen, von intimen Erinnerungen geprägten Episoden „aus einem verschwunden Land“, erzählt die Dokumentation „Als wir die Zukunft waren“. Sechs Regisseure und eine Regisseurin lassen ihre Kindheit und Jugend in der DDR Revue passieren. Heraus kommt eine spannende Reise zurück in eine antiquiert und unwirklich wirkende Zeit, die der Film mit kunstvoll eingewobenen und verspielten Animationen greifbar macht und auf verspielte Art und Weise anreichert. Eine Beschränkung bzw. Konzentration auf weniger Porträtierte wäre aufgrund der Vielzahl an Einzelschicksalen und Anekdoten dennoch ratsam gewesen.

Webseite: www.als-wir-die-zukunft-waren.de

Deutschland 2015
Regie: Andreas Voigt, Peter Kahane, Lars Barthel, Hannes Schönemann, Ralf Marschalleck, Thomas Knauf, Gabriele Denecke
Länge: 87 Minuten
Verleih: Missing Films
Kinostart: 25. Februar 2016
 

FILMKRITIK:

Die Dokumentation „Als wir die Zukunft waren“ erzählt von sieben Filmemachern, die in den 50er- und 60er-Jahren in der DDR aufwuchsen und ihre Jugend verbrachten. In sieben sehr persönlichen Episoden gewähren die Regisseure Andreas Voigt, Peter Kahane, Lars Barthel, Hannes Schönemann, Ralf Marschalleck, Thomas Knauf sowie die Regisseurin Gabriele Denecke intime Einblicke in eine Zeit, als sie als die Zukunft des Sozialismus galten. Mit Hilfe alter Fotos, Filmschnipsel und Erinnerungen, kehren sie zurück in eine über 50 Jahre zurückliegende Vergangenheit. Unter einer scheinbar harmlosen, eher oberflächlichen Schicht aus Alltagserinnerungen, kommen tragische, emotionale aber auch heitere Erinnerungen und Ereignisse zum Vorschein.

Die sieben porträtierten Filmemacher gehörten zu den führenden Regisseuren der ehemaligen DDR und galten – wie alle Kinder der sozialistischen DDR – in den 50er- und 60er-Jahren als die große Zukunft dieses noch jungen Staates. Zu den Regisseuren, die hier einen Einblick in das Aufwachsen zwischen Mauer, Bespitzelung, linientreuen Eltern und Aufbegehren gewähren, zählen u.a. Andreas Voigt und Peter Kahane. Grimme-Preisträger Voigt zählt bis heute zu den führenden Dokufilmern Deutschlands. Seine „Leipzig“-Filmreihe schildert über knapp 30 Jahre hinweg Schicksale Leipziger Bürger und ist ein bewegendes Dokument jener Umbruchsjahre. Kahanes DEFA-Filme beschreiben wie nur wenige andere Werke authentisch und realitätsnah die Lebenswirklichkeit DDR-Jugendlicher in den 80er-Jahren. Ebenso wie die anderen fünf Regisseure erzählen sie „sieben Geschichten aus einem verschwundenen Land“.

Gebannt und interessiert lauscht man den spannenden Anekdoten und Berichten der Personen, die an einem Tisch versammelt sitzen und in Erinnerungen schwelgen. Es sind nachdenklich stimmende, teils heute kaum mehr nachvollziehbare Vorkommnisse, die sich in deren Leben abgespielt haben. Die Filmemacher berichten u.a. von einem selbst organisierten Erwerb von West-Kaugummi an einem Kiosk, ersten Stasi-Bespitzelungen, Besuchen in sozialistischen Brüderländern und davon dass man dachte, „der Sozialismus könnte in den 50er-Jahren eine echte Alternative sein“, wie Gabriele Denecke es formuliert.

Denecke ist es auch die beschreibt, wie es gewesen ist eine Mutter zu haben, die als Ministeriums-Mitarbeiterin die  Wirtschaftspläne der Republik mitgestaltete. Kahane schildert Erinnerungen an seine jüdischen Eltern, die nach dem Krieg aus der französischen Résistance in die Berliner Heimat zurückkehrten und Schönemann lässt die Zuschauer an seinen schmerzhaften Kindheits-Erinnerungen in einem Ostsee-Kinderheim teilhaben.

Das Besondere an dem Film sind dabei aber nicht die Berichte und Erzählungen. Deren Inhalte oder zumindest ähnliche Schilderungen von DDR-Kindern und –Jugendlichen kennt man aus anderen Dokumentationen. Es ist vielmehr die kunstvolle Einbettung von animierten Sequenzen und Trickszenen, die das Erzählte in eine verspielte, kindliche Form bringen. Zudem sorgen die nostalgisch anmutenden, ungemein antiquiert wirkenden und teils schwarz-weißen Original-Aufnahmen aus den ersten Jahrzehnten der DDR wie Zeitdokumente aus einer anderen, regelrechten Parallelwelt, die Lichtjahre entfernt scheint.

Das einzige nennenswerte Problem des Films ist, dass die Anzahl der Porträtierten und damit auch die beschriebenen Erinnerungen und Ereignisse zu mächtig sind. Weniger – z.B. ein Beschränken auf nur drei oder vier Filmemacher – wäre hier mehr damit und wohl die klügere Wahl gewesen. So wirkt vieles doch recht aneinandergereiht, lediglich kurz angerissen und schablonenhaft und dort, wo es spannend und packend wird, hätte man bei weniger Personen verstärkt in die Tiefe gehen können. Somit bleibt am Ende eine gute, aber keine sehr gute Dokumentation.

Björn Schneider