Die Frau in Gold

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Nach wie vor stellt der NS-Kunstraub ein unbewältigtes Kapitel dar. Was die Herausgabe betrifft, sind die Hausaufgaben immer noch nicht gemacht. Eindringlich beleuchtet das bewegende Drama diesen Teil beschämender Vergangenheitsbewältigung. In dem auf Fakten basierenden zermürbenden Rechtsstreit um die Rückgabe des berühmten Jugendstil-Portraits „Die Goldene Adele“ von Gustav Klimt brilliert die britische Grand-Dame und Oscar-Preisträgerin Helen Mirren als rechtmäßige Erbin und Holocaust-Überlebende Maria Altmann. Seinen Spannungsbogen verdankt Regisseur Simon Curtis erhellender Justizkrimi gegen das Verdrängen und Vergessen hauptsächlich dem fast biblischen Kampf David gegen Goliath. Denn unbeirrbar pocht seine Hauptprotagonistin jahrelang auf Gerechtigkeit gegenüber der ignoranten Alpenrepublik.

Webseite: www.diefrauingold.de

Großbritannien/ USA 2014
Regie: Simon Curtis
Darsteller: Helen Mirren, Ryan Reynolds, Daniel Brühl, Tatjana Maslany, Max Irons, Elizabeth McGovern, Katie Holmes, Antje Traue, Francis Fisher, Justus von Dohnányi, Tom Schilling, Moritz Bleibtreu
Drehbuch: Alexi Kay Campbell
Länge: 110 Minuten
Verleih: Square One Entertainment und Telepool, Vertrieb: DCM
Kinostart: 4. Juni 2015
 

Pressestimmen:

"Der britische Regisseur Simon Curtis verwandelt das komplizierte Thema Raubkunst in ein spannendes Drama. Es ist ein bewegender, kluger Film, manchmal pathetisch, in einigen Szenen auch überraschend komisch. Rückblenden spielen im Wien der Zwanziger- und Dreißigerjahre."
Der Spiegel

FILMKRITIK:

„Glauben Sie wirklich, Österreich wird dieses Bild herausrücken, damit es über dem Sofa einer alten Dame hängt?“ Randys Kanzleichef (Charles Dance) schüttelt nur den Kopf über so viel Naivität. Aber der junge Anwalt Randy Schoenburg (Ryan Reynolds) bleibt stur. Längst hat der Enkel des berühmten Komponisten Arnold Schönberg Feuer gefangen. Die spektakuläre Geschichte von Maria Altmann (Helen Mirren) hat es ihm, nach anfänglichem Zögern, angetan. Auch wenn es aussichtslos erscheint, versteht er ihren Kampf um Gerechtigkeit und eines der legendärsten Gemälde der Welt – Gustav Klimts „Die goldene Adele“, dem von NS-Schergen erbeuteten Portrait ihrer Tante Adele Bloch-Bauer.

„Die Menschen sehen nur ein Meisterwerk eines der größten Künstler Österreichs“, erzählt ihm die Holocaust-Überlebende, „aber ich sehe ein Bild meiner Tante, einer Frau, die mit mir über das Leben sprach“. Diese Erinnerungen sind nach den Gräueln des NS-Terrors, dem fast alle Mitglieder ihrer jüdischen Familie zum Opfer fielen, schmerzhaft. Deshalb weigert sich die Emigrantin zunächst, zusammen mit dem unerfahrenen, aber eifrigen Juristen nach Wien, in ihre ehemals geliebte Heimatstadt, zu reisen. Das wunderbare Diamantcollier, das ihre früh verstorbene Tante auf dem Gemälde trug, war einst ihr Hochzeitsgeschenk. Skrupellos geplündert trug Hermann Görings Frau Emmy das Geschmeide auf dekadenten NS-Festen.

Doch nur in der Donaumetropole, wo das legendäre Gemälde die Galerie im Schloss Belvedere ziert, können sie hoffen, weitere Spuren zu finden, um ihren Rechtsstreit voranzutreiben. Freilich zeigt sich die österreichische Regierung wenig kooperativ. Lediglich Hubertus Czernin (Daniel Brühl), ein aufrechter Verleger, steht ihnen als Verbündeter zur Seite. Gleichzeitig überwältigen die resolute 80jährige die Schatten der Vergangenheit. Eine Odyssee beginnt, die sich über Jahre hinzieht und das ungleiche Duo bis vor den Obersten Gerichtshof in Amerika führt.

Vor allem in den eindringlichen Rückblenden aus Maria Altmanns Kindheit am Ende des Fin de Siècle, der bejubelten NS-Machtübernahme bis hin zu ihrer dramatischen Flucht, zeigt Simon Curtis („My week with Marylin“) klassisch exzellentes Erzählkino hochemotionale Momente. Sein erhellendes Justizdrama bewahrt vor Vergessen und Verdrängen. Dass Österreichs Zweite Republik darin eine unrühmliche Rolle spielt und Ewiggestrige sich am liebsten heute noch als Opfer stilisieren, kann dem Film nicht angelastet werden. Denn dabei handelt es sich leider nicht um überzeichnete Klischees, sondern um beschämende Realität.

Schließlich profitierten von der Arisierungspolitik der Nazis auch die großen Museen in Wien. Bis zuletzt sträubten sich die offiziellen Stellen gegen die Herausgabe der nationalen Heiligtümer, die seit 1938 in der Wiener Galerie hingen. Ohne die akribische Recherche des österreichischen Verlegers Hubertus Czernin, der die NS-Vergangenheit des ehemaligen österreichischen Präsidenten Waldheim aufdeckte, wäre der Kunstthriller jedoch nicht möglich gewesen. Er brachte die unterbliebene Restitution von Nazi-Raubgut ins Rollen. Maria Altmann selbst erlebt ihre filmische Hommage leider nicht mehr. 2011 starb sie im Alter von 94 Jahren in Beverly Hills.

Schauspiellegende Helen Mirren beherrscht in ihrer mehr als 40-jährigen Karriere den Spagat zwischen großen historischen Frauenfiguren und modernen Grenzgängerinnen. Die energiegeladene Endsechzigerin, die mit 19 Jahren die jüngste je in die ehrwürdige „Royal Shakespeare Company“ aufgenommene Schauspielerin war, brillierte in aufwändigen Kostümen in Shakespeare-Rollen, aber auch ohne feine Stoffe in Nigel Coles „Kalender Girls“. Den größten Triumph freilich feierte die Britin aus einer weißrussischen Aristokratenfamilie als Verkörperung Queen Elizabeth II. in Stephen Frears Biopic über die Monarchin. Als Meisterin der Nuancen, der sparsamen Gesten, arbeitet die englische Charakterdarstellerin auch dieses Mal ihre Figur kristallklar heraus.

Luitgard Koch