Macbeth

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Kaum ein Werk fasziniert seit Jahrhunderten so wie Shakespeares düsteres Epos um Machtgier. Die neue opulente Kinoadaption der Tragödie vom heimtückischen Aufstieg und Fall Macbeths fesselt durch eine prägnante Schauspielerführung und die sinnlich erfassbare Atmosphäre von Furcht und Gewalt. Der australischen Regisseur Justin Kurzel inszeniert vor der schroffen Kulisse der schottischen Landschaft zwar mit Originaldialogen, findet dazu jedoch bestechende Bildkompositionen. Gleichzeitig interpretieren Oscar-Preisträgerin Marion Cotillard und Michael Fassbender in dem blutigen Meisterdrama das berühmteste Tyrannenpaar der Weltliteratur neu.

Webseite: www.macbeth-film.de

Großbritannien 2015
Regie: Justin Kurzel
Drehbuch: Jacob Koskoff, Michael Lesslie, Todd Louiso
Darsteller: Michael Fassbender, Marion Cotillard, David Thewlis, Jack Reynor, Elizabeth Debicki
Länge: 113 Minuten
Verleih: Studiocanal
Kinostart: 29.10.2015
 

Pressestimmen/Auszeichnungen:

"Eine grandiose und epochale Verfilmung... Mit MACBETH gelingt es Kurzel, die Faszination von Shakespeares Vorlage nicht nur zu vermitteln, sondern sie noch zu verstärken. Eine kraftvolle, kongeniale und beeindruckende Neuverfilmung eines ewigen Klassikers. - Prädikat: besonders wertvoll."
FBW

FILMKRITIK:

Schottland im Mittelalter. Sturmumtost verdunkelt sich der orange-rote Himmel in den kargen Highlands. Gnadenlos metzeln sich die brüllenden Krieger im schlammigen Feld. Allen voran Macbeth (Michael Fassbender), der bis dato noch treue Vasall seines Königs. Mit totem Blick agiert der schottische Edelmann inmitten des martialischen Spektakels. Immer wieder schrecken ihn die schmerzverzerrten Gesichter seiner Gefolgsleute im Moment des Todes. Riesige blutig-rote Nebelschwaden verschlucken die Kämpfer. Kalter Regen prasselt hernieder. Mit dieser brachialen Schlachtszene steigt  Regisseur Justin Kurzel bildgewaltig in Shakespeares Tragödie über Machtgier, Liebe und Wahnsinn ein.
 
In seiner fesselnden Verfilmung werden die Schwerter schnell gezückt. Der Krieg nimmt in seinem Panorama aus Blut, Schlamm und Tod apokalyptische Ausmaße an. Während im Original die gespenstische Prophezeiung der drei Hexen als Aufhänger und treibende Kraft der Geschichte dient, versucht der Australier Kurzel dem Klassiker sofort eigene Facetten abzugewinnen. Nicht zuletzt deshalb setzt der 41jährige die gewohnte, chronologische Dramaturgie dynamisch mit extremem Zeitraffer, Jump Cuts und Reißschwenks vorerst außer Kraft.
 
In dem machthungrigen Heerführer, der nach seinem Mord an dem gutmütigen König Duncan (David Thewlis) paranoid mehr und mehr den Bezug zur Realität verliert, sieht Kurzel einen gebrochenen Mann. „Macbeth ist ein ausgelaugter Soldat“, sagt er, „der unter einem Trauma leidet“. Und so rückt seine düstere Version diesen Aspekt in den Vordergrund. Dass Macbeth vermutlich an posttraumatischem Stress Syndrom (PTSS) litt, hilft auch seinem brillanten Hauptdarsteller Michael Fassbender. „Das hat mir einen direkten Zugang eröffnet“, gesteht der deutsch-irische Charakterdarsteller. „Auch heute kommen Soldaten aus dem Irak oder Afghanistan zurück, krank an PTSS und verfolgt von Halluzinationen“, erklärt der in Heidelberg geborene Ausnahmeschauspieler.
 
Zudem reicht es Regisseur Kurzel nicht aus, die Figur der Lady Macbeth (Marion Cotillard), eine der ausdrucksstärksten weiblichen Charakterrollen des elisabethanischen Theaters, einfach nur als machtbesessene Furie oder Tathelferin und Repräsentantin des „bösen Prinzips” zu verstehen. In der Anfangsszene seiner kühnen Adaption, betrauert sie zusammen mit Macbeth den Tod ihres einzigen Kindes. Aus diesem Schicksalsschlag, der ihr Selbstverständnis erschüttert, wächst ihr Ehrgeiz nach mehr gesellschaftlichem Ansehen. Der Keim zum Mordkomplott sprießt, um ihre innere Leere zu füllen. Schließlich liefern Frauen häufig die Motive für den Ehrgeiz ihrer Männer, da sich ihr eigener nur in seinem Schatten verwirklichen lässt.
 
Geschickt versucht Marion Cotillard nicht nur die intrigante Berechnung von Lady Macbeth vordergründig darzustellen. „Weil sie in ihrer Kälte so unnahbar scheint“, betont die Oscar-Preisträgerin, „wollte ich umso mehr das Verletzliche in ihr finden.“ Das ist der Französin vor allem mit ihrem Monolog am Ende des erbarmungslosen Dramas bravourös gelungen. Eine Leistung, die hervorsticht. Denn kaum ein anderes Stück von Shakespeare ist  voller wilder Widersprüche, grober Risse und greller Spannungen wie „Macbeth“, dessen Held zarteste Regungen mit todesbitteren Wahnbildern vereint, dessen Königin die skrupelloseste Täterin und die schauerlichste Büßerin zugleich ist. Erfassen Schauspieler freilich die Bedeutung der Worte wirklich, ist Shakespeares abgründig reiche Prosa auch heute noch verständlich.
 
Nach dem gelungenem Spagat zwischen Werktreue und fulminanter Visualisierung muss Kurzels Version des Machtstrebens, das in Wahn und Blutrausch endet, den Vergleich mit den zahlreichen Adaptionen des Shakespeare-Klassikers nicht scheuen. Seine Schlachtszenen, erreichen durch den Einsatz von Wind und Wetter, fast die alptraumhafte Ästhetik und mitreißende Dynamik des grandiosen japanischen Kultregisseur Akira Kurasawos. Und selbst wenn Roman Polanskis bitter-ironisches Meisterwerk die vielleicht nach wie vor gültigste Umsetzung eines Shakespeare-Stoffes auf der Leinwand scheint, beeindruckt Kurzels markantes, eigenständiges Kino der Sinne. Souverän sorgt es dafür, dass der Zuschauer dem Bann seiner Bilder erliegt.
 
Luitgard Koch