Nebenwege

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Eine Pilgerfahrt zur Schwarzen Madonna im bayerischen Wallfahrtsort Altötting wird für Richard Beller, seine alzheimerkranke Mutter und seine halbwüchsige Tochter zu einer Suche nach dem Wert von Familie. „Nebenwege“ beschreitet das Langfilmdebüt von Michael Ammann dabei nur selten, sondern wählt stattdessen sehr direkte Emotionen.

Webseite: www.farbfilm-verleih.de

Deutschland 2013
Regie, Buch: Michael Ammann
Darsteller: Roeland Wiesnekker, Christine Ostermeyer, Lola Dockhorn, Tilo Prückner, Stephan Zinner
Länge: 90 Minuten
Verleih: farbfilm Verleih
Kinostart: 3. Juli 2014

FILMKRITIK:

Richard Beller (Roeland Wiesnekker) ist Mitte 40 und mittelständischer Unternehmer in Bayern. An diesem Wochenende will er endlich den Umzug seiner Mutter Hilde (Christine Ostermeyer) in ein Altenstift über die Bühne bringen, denn die 78jährige Dame ist an Alzheimer erkrankt und erkennt selbst ihren Sohn oft nicht mehr. Und auch Richards 14jährige Tochter Marie (Lola Dockhorn) ist meist eine Unbekannte. Doch dies hat auch andere Gründe, denn Marie wuchs bei ihrer Mutter auf, von der Richard schon seit längerem getrennt lebt.

Familie ist für Marie eher mit Stress verbunden, sie fühlt sich von ihrem Vater vernachlässigt, der ihr ein schönes Wochenende versprochen hat, sie nun aber mit einem Umzug plagt, ständig telefoniert und Geschäftsprobleme zu lösen hat und auch noch ihren Geburtstag vergessen hat.

Zu allem Überfluss denkt Mutter Hilde auch gar nicht daran, sich in ein Heim bringen zu lassen, sondern plant, ins gut 200 Kilometer entfernte Altötting zu pilgern, wo sie zur berühmten Schwarzen Madonna beten und um Beistand bitten will. Durch nichts lässt sich die alte Dame von ihrem Plan abbringen und so macht sich das zwar verwandte, aber doch entfremdete Trio gemeinsam auf den Weg. Durch Felder und Wiesen geht die Reise, mal wird in Heuschobern übernachtet, mal auf einer Bank, mal bekommt die unfreiwillige Pilgergruppe Hilfe von einem freundlichen Feststandbesitzer, mal gerät sie in Streit mit einem Imbissverkäufer. Doch je näher man sich dem Ziel Altötting nähert, umso näher kommt man den vielfältigen Vorwürfen und Verletzungen, die das Verhältnis zwischen den drei Generationen belastet.

Regisseur und Autor Michael Ammann legt mit „Nebenwege“ ein spätes Regiedebüt vor. Bislang schrieb und entwickelte der Filmemacher Vorabendserien wie „Unter Uns“ oder „Verbotene Liebe“, was nicht weiter erwähnenswert wäre, wenn es nicht zum Hauptproblem von „Nebenwege“ führen würde: dem Erzählton. Unterlegt von leichter Musik plätschert der Film oft gemächlich dahin, zeigt das Pilger-Trio ausführlich beim Pilgern, um dann ganz unvermittelt zu teils extremen dramatischen Momenten zu wechseln.

Besonders Christine Ostermeyer als alzheimerkranke Frau zeigt etliche berührende schauspielerische Momente, in denen sie ihre Figur zwischen lichten Momenten, Vergesslichkeit und schierer Verzweiflung über ihre Lage wechseln lässt,. In diesen Szenen wird der schwierige Umgang mit an Alzheimer Erkrankten spürbar deutlich, die Hilflosigkeit der Angehörigen, die nicht mehr erkannt werden, aber auch die Verzweiflung der Kranken selber.

Ein berührendes Drama ist „Nebenwege“ in diesen, seinen besten Momenten, die allerdings von langen Phasen unterbrochen sind, in denen es mal klamaukig albern zugeht (vor allem wenn Tilo Prückner einen Auftritt als lüsterner, schießwütiger Bauer hat), mal wie in einem sehr deutschen Familiendrama und mal wie in einer Komödie über das Pilgern. Insgesamt bleibt Michael Ammanns Regiedebüt dadurch ein wenig zu unfokussiert, um auf ganzer Linie überzeugen zu können.
 
Michael Meyns