Plötzlich Papa

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Mit der Tragikomödie „Ziemlich beste Freunde“, dem erfolgreichsten französischem Film aller Zeiten, avancierte Omar Sy zum Weltstar und machte sich auf nach Hollywood. Nach Blockbustern wie „Inferno“ arbeitet er für die turbulente Familienkomödie, die sich nicht vor anrührend-melancholischen Momenten scheut, wieder unter französischer Regie. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Gratwanderung als südfranzösischer Charmeur zwischen Komik und Tragik, der sich seinen Vaterpflichten stellt, gelingt ihm souverän. Vor allem das hinreißende Zusammenspiel mit seiner jungen Hauptdarstellerin, der Franco-Amerikanerin Gloria Colston, zeigt den sympathischen Schauspieler mit mauretanisch-senegalesischen Wurzeln in Bestform.

Webseite: www.PloetzlichPapa-DerFilm.de

Frankreich 2016
Regie: Hugo Gélin
Drehbuch: Mathieu Oullion, Hugo Gélin, Jean-André Yerles  
Kamera: Nicolas Massart
Darsteller: Omar Sy, Gloria Colston, Clémence Poésy, Antoine Bertrand, Clémentine Célarié,  Susan Fordham, Anna Cottis, Raquel Cassidy, Raphael von Blumenthal, Jay Benedict.
Länge: 118 Minuten
Verleih: Tobis Filmverleih
Kinostart: 5.1.2017

FILMKRITIK:

Samuel genießt sein Single-Leben an der sonnendurchfluteten Coté Azur in vollen Zügen. Seinen Job für seine großzügige Chefin Samantha (Clémentine Célarie) reiche Touristen auf ihrer Yacht spazieren zu fahren, nützt er weidlich aus. Großspurig gibt er sich schon mal als deren Besitzer aus, um jungen Frauen zu imponieren. Seine Devise: Party und Spass bis zum Abwinken. Nach einer durchfeierten Nacht mit zwei Dancing-Queens auf „seiner“ Yacht gibt es freilich ein böses Erwachen. Kristin (Clémence Poésy) taucht auf. Im Arm sein Baby.
 
Dass ihn sein One-Night-Stand aus London zum Vater machte, weist der Womanizer empört von sich. Doch die junge Britin reagiert schnell. Ehe der verdutzte Samuel sich versieht, rauscht sie mit dem Taxi ab. Die kleine Gloria (Gloria Colston) lässt sie in seinen Armen zurück. Damit hat er nicht gerechnet. Panisch verfolgt der Gelackmeierte sie mit dem Baby zum Flughafen. Und landet schlussendlich hilflos im Großstadtdschungel London. Dort zwingt ihn das Schicksal Verantwortung zu übernehmen. Denn Kristin bleibt verschwunden.
 
Nur durch die Begegnung mit dem schwulen, exzentrischen Filmproduzenten Bernie (Antoine Bertrand), der anfangs ein Auge auf ihn geworfen hat, kann er sich über Wasser halten. Der engagiert den arbeitslosen Charmeur als Stuntmen für seinen beliebten Fernsehheld Jack Bates. Und schon bald entwickelt sich das Trio zu einer ungewöhnlichen Patchworkfamilie. Dank seiner aufgeweckten Tochter ist selbst Samuel erwachsen geworden. Doch da taucht Kristin erneut auf und fordert ihr mittlerweile achtjähriges Kind zurück.

Mit Bravour verkörpert Omar Sy den charismatisch, lässigen Typen aus dem Süden, der mit seinem ansteckenden Charme alle für sich einnimmt. Eine Rolle, die dem sympathischen Schauspieler mit senegalesischen und mauretanischen Wurzeln wie auf den Leib geschneidert scheint. Wie der begnadete Autodidakt im meist regennassen Londoner „Urban Jungle“ seine Figur wunderbar unangestrengt quasi neu erfindet ist spannend. Auch wenn die Verwandlung des Lebemanns in den treu sorgenden Vater streckenweise fast zu schön erscheint, um wahr zu sein. Trotzdem macht es unendlichen Spaß und gute Laune das exzellente Zusammenspiel des vierfachen Vaters mit seiner kleinen Hauptdarstellerin Gloria Colston zu erleben. Dass die begabte Franco-Amerikanerin seine Tochter sein könnte wirkt absolut glaubhaft.  

Zudem besticht die talentierte 12jährige, die auf you-tube bereits als Miss DJane Glo unterwegs ist, in ihrer entwaffnenden Natürlichkeit. Ihre erfrischende Ausstrahlung erinnert an die oscarnominierte Quvenzhané Wallis aus „Beasts of the Southern Wild“. Bei Regisseur Hugo Gélin sind die beiden außerdem in besten Händen. Brillant setzt er das Duo in Szene. Nicht umsonst orientierte sich der gebürtige Pariser dabei am originellen Humor der legendären Coen-Brüder. Schließlich stammt der 36jährige aus einer alteingesessenen Familie französischer Schauspieler und Produzenten: Sein Großvater Daniel Gélin drehte mit Großmeistern wie Hitchcock, Cocteau und Ophüls, sein Vater Xavier Gélin spielte neben Louis de Funès im Kultklassiker „Die Abenteuer des Rabbi Jacob“.

Stimmiger wirkt seine anrührende Tragikomödie auch dadurch, dass er mit Kristin, ohne harte Schwarzweißzeichnung, keine herzlose Rabenmutter schuf. Nicht zuletzt ist das Clémence Poésy zu verdanken. Die französische Schauspielerin verleiht ihrer Figur souverän Nuancen, die ihre emotionale Reise als anfangs überforderte junge Mutter für den Zuschauer verständlicher erscheinen lassen. Der Coup kurz vor Schluss, der hier nicht verraten werden soll, setzt dem Ganzen freilich die Krone auf und ist sicher nicht realitätsfern. Selbst ohne Happy-End ein warmherziges Feel-Good-Movie, das nicht vorschnell als zu seicht abgeurteilt werden sollte. Zudem stimmt der heimliche Protagonist des Films, der weite blaue Himmel und das schillernde Meer der Coté Azur, des mediterranen Sehnsuchtslands, versöhnlich. Schließlich bezeichnete der niederländische Schriftsteller Cees Nooteboom die „blaue Küste“ sogar als den „Vorraum zum Paradies“.

Luitgard Koch