Tu nichts Böses

Zum Vergrößern klicken

Nur drei Spielfilme drehte der italienische Regisseur in gut 30 Jahren, bevor er kurz nach Fertigstellung von „Tu Nichts Böses“ verstarb. Nun kommt dieses Vermächtnis doch noch in die deutschen Kinos und bestätigt Caligaris Ruf als wilder, unkonventioneller Regisseur, der auch hier mit großer Kraft und filmischer Wucht von den meist vergeblichen Träumen der italienischen Jugend erzählt.

Webseite: www.missingfilms.de

OT: Non essere cattivo
Italien 2015
Regie: Claudio Caligari
Buch: Claudio Caligari, Giordano Meacci, Francesca Serafina
Darsteller: Luca Marinelli, Alessandro Borghi, Silvia D’Amico, Roberta Mattei, Allesandro Bernardini, Valentino Campitelli
Länge: 100 Minuten
Verleih: missingFilms
Kinostart: 6. April 2017

FILMKRITIK:

Italien in den 90er Jahren. In den Vororten von Rom, am Strand von Ostia treiben sich Vittorio (Allesandro Borghi) und Cesare (Luca Marinelli) herum, beide Anfang 20 und schon so lange befreundet, das sie wie Brüder sind. Ihr Leben besteht aus ziellosem rumfahren und Drogenkonsum, finanziert mal durch Gelegenheitsjobs, meist durch Drogenhandel, Kleinkriminalität und auch mal einer größeren Aktion, die sie gefährlich nah an den Abgrund bringt.
 
Besonders der besonnenere Vittorio ahnt die Unmöglichkeit, auf diese Weise weiterzuleben, mittelfristig zu überleben und versucht zunehmend, einen Weg zurück in eine bürgerliche Existenz zu finden. Doch als Hilfsarbeiter auf dem Bau verdient er deutlich weniger als mit Drogenhandel, das Versprechen von leichtem, schnellem Geld macht das legale Leben schwierig. Und auch seine Freundschaft zu Cesare wird von zunehmender Spannung geprägt, denn diesem fällt es schwer, von den Drogen zu lassen.
 
An mystischen Orten des italienischen Kinos hat Claudio Caligari seinen Film angesiedelt, in den Vororten Roms, am Strand von Ostia, wo Federico Fellini seine Müßiggänger porträtiere und das Dolce Vita feierte, vor allem aber wo Pier Paolo Pasolini seinen Accattone drehte und selber unter nie geklärten Umständen ermordet wurde. Vittorio und Cesare sind Wiedergänger dieser Figuren, leben in den Tag hinein, nehmen Drogen, denken nicht an das Morgen und scheitern unweigerlich am Versuch einer bürgerlichen Existenz.
 
Einem klassischen Muster folgt also der Handlungsbogen von „Tu Nichts Böses“, zeigt anfangs das wilde Leben der ragazzi in grellen Farben und Lichtern, wild und ungestüm, um dann bald die Leere anzudeuten, die der nie enden wollenden Party unweigerlich folgt. Unausweichlich scheint das Schicksal der Freunde, gerade von Cesare, der einerseits alles für seine Nichte tut, deren Mutter an AIDS gestorben ist, andererseits vollkommen unverantwortlich und unmoralisch agiert und sich nimmt, was er will. Vittorio dagegen sehnt sich zunehmend nach einem mehr oder weniger normalen Leben, nach einer Familie, eine Sehnsucht, die sich in der wirtschaftlich schwachen Region nur schwer mit legalen Mitteln erfüllen lässt.
 
Eine schonungslose Zustandsbeschreibung der italienischen Gesellschaft ist „Tu Nichts Böses“, die nie zu einer Verklärung des schnellen, aber auch kriminellen Lebens wird, sondern stets die Balance wahrt: Die Verführung von Geld und Drogen anzudeuten, aber auch den Preis, der unweigerlich dafür zu zahlen ist. Ein wuchtiger, mitreißender Film ist das, von einem viel zu wenig bekannten Regisseur, den es nun posthum zu entdecken gilt.
 
Michael Meyns