Von Mädchen und Pferden

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Ein Praktikum auf dem Reiterhof soll der 16 jährigen Alexa bei der Bewältigung ihrer Adoleszenzkrise helfen. Doch in der Ruhe der norddeutschen Landschaft findet sie nicht nur zu sich selbst, sondern auch zu der Urlauberin Kathy. „Von Mädchen und Pferden“ ist ein zärtlicher „Anti-Pferdemädchenfilm“, der Klischees geschickt dafür nutzt, sie mit einem freundlichen, aber überlegenen Lächeln zu verwerfen.

Webseite: www.maedchen-und-pferde.de

Deutschland/2014
Regie und Drehbuch: Monika Treut
Darstellerinnen: Ceci Schmitz-Chuh, Vanida Karun, Ellen Grell, Alissa Wilms
Länge:  85 Minuten
Verleih: Edition Salzgeber
Kinostart: 04. Dezember 2014

FILMKRITIK:

Allein der Filmtitel „Von Mädchen und Pferden“ eröffnet ein schier unendliches Spektrum unterschiedlichster Klischees über Pferdemädchen und Wendy-Leserinnen. Vor dem inneren Auge tauchen umgehend märchenhafte Reiterhofkulissen und romantisierte Geschichten über Pferdefreundschaften und die erste Liebe auf. Doch weder ist Hauptfigur Alexa ein klassisches Pferdemädchen noch ist ihre Geschichte ein Pferdemärchen. Viel mehr spielt Regisseurin und Drehbuchautorin Monika Treut bewusst mit diesen Klischees, um aus der Frustration der Zuschauererwartung die Kraft ihres Films zu generieren.
 
Alex (Ceci Schmitz-Chuh) könnte einen wandelnden Stereotyp darstellen, direkt aus dem Nachmittagsprogramm der Privatsender entsprungen. Eine bockige Stadtgöre auf ihrem Weg der Läuterung durch die Begegnung mit der Natur. Alex’ Adoptivmutter hat die autoaggressive Schulabbrecherin zum Praktikum auf einen Reiterhof in Norddeutschland geschickt, um dem Lebensweg des Mädchens eine neue Richtung zu geben. Doch Monika Treut vermeidet alle Klischeefallen, die sich durch diese Figurenzeichnung anbieten. Ihre Alex ist kein trotzig rebellierender Teenager, sondern ein sensibles Mädchen, das sich schnell in das Hofleben einfühlt und nach kurzer Skepsis begeistert mit anpackt.
 
Die Vermeidung konstruierter Dramen zieht sich durch die gesamte Inszenierung, die von großer Ruhe geprägt ist. Die Aufnahmen der idyllisch-einsamen norddeutschen Landschaft sowie die Bilder der Pferde vor eben jenem Panorama bringen nicht nur das Stadtmädchen Alex, sondern auch den Kinozuschauer zur Ruhe. „Von Mädchen und Pferden“ ist immer dann am stärksten, wenn sich der Film auf die Bilder verlässt und sprachlos bleibt, wenn sich die Beziehungen zwischen den Figuren durch Blicke und Gesten entfalten. Denn die wenigen Dialoge wirken im Gegensatz zu den kraftvollen Bildern oft spröde, manchmal gar unangenehm gestellt und trüben ein wenig die Natürlichkeit des visuellen Konzepts.
 
Wenn sich Reitlehrerin Nina (Vanida Karun) in den ersten Filmminuten als homosexuell outet, ohne dass der Film dies in irgendeiner Form problematisieren oder auch nur weiterhin thematisieren würde, steht die gleichgeschlechtliche Liebe plötzlich auf sehr subtile Art und Weise im Raum. Sie ist Teil der Normalität dieses Films und seiner Geschichte. Ninas selbstverständliche Beziehung zu Christine (Ellen Grell) eröffnet für den Film und seine Figuren einen Möglichkeitsraum. Und so kommt es auch, dass in der Freundschaft Alex’ zu der Reiturlauberin Kathy (Alissa Wilms) stets auch eine leicht homoerotische Anziehung mitschwingt, die Monika Treut jedoch größtenteils in der Andeutung belässt. Auch damit unterminiert sie die Erwartungshaltung an einen Film über Mädchen und Pferde, der – so will es zumindest das Klischee oder das Mädchenbild der Wendy – um rosa Reitstiefel, konstruierte Abenteuer und heterosexuelle Verliebtheiten kreist. 
 
„Von Mädchen und Pferden“ hat mit diesen Stereotypen nichts am Hut. Die ruhige Erzählung und die natürlichen Farben der Inszenierung sind weit entfernt von einem bunt getünchten Pferdemärchen. Die Protagonistinnen wirken authentisch und verweigern sich jedem der angebotenen Klischees. In der Zurückhaltung der Erzählung liegt zudem eine große Zärtlichkeit, die das Potential hat, auch die Seele des Publikums zu streicheln. Nicht zuletzt ist „Von Mädchen und Pferden“ ein „Frauenfilm“ durch und durch, in dem Männer nur als namenlose Komparsen auftreten und in dem die gleichgeschlechtliche Liebe – sei sie romantischer oder freundschaftlicher Natur – klar im Zentrum steht.
 
Damit lassen sich die stereotypen „Pferdemädchen“ vielleicht nicht abholen, dafür aber mit Sicherheit all jene, die einen einfühlsamen, berührenden und vor allem in vielerlei Hinsicht progressiven Film zu schätzen wissen.
 
Sophie Charlotte Rieger