Body Of Truth

Zum Vergrößern klicken

Vier Künstlerinnen porträtiert Evelyn Schels in ihrer Dokumentation „Body of Truth: Marina Abramović, Sigalit Landau, Katharina Sieverding und Shirin Neshat, vier Frauen, die mehr oder weniger stark ihren eigenen Körper in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen. Was sie verbindet und trennt ergründet Schels in ihrem mäandernden Film.

Webseite: www.filmwelt.de

Dokumentation
Deutschland/ Schweiz 2019
Regie: Evelyn Schels
Länge: 96 Minuten
Verleih: Filmwelt
Kinostart: 10. September 2020

FILMKRITIK:

Die bekannteste der vier Künstlerinnen ist fraglos Marina Abramović, die inzwischen über 70jährige serbische Performance-Künstlerin, die in den 70er Jahren begann, die Performance-Kunst auf radikale Weise zu erneuern. In Zusammenarbeit mit ihrem damaligen Partner Ulay, aber auch in Solo-Performances, entstanden radiale Arbeiten, die den eigenen Körper als Fläche benutzten. Legendär etwa das Einritzen eines fünfzackigen Sterns auf den eigenen Bauch oder das fortwährende Zusammenstoßen der nackten Körper des Paares, das sich in extremen Performances oft über die Schmerzgrenze hinauswagte.

Ähnlich radikal nutzt die eine Generation jüngere, aus Israel stammende Sigalit Landau ihren Körper für ihre Arbeiten. In Barbed Hula etwa, benutzt sie Stacheldraht als Hula Hoop-Reifen, die Spuren, die dies auf dem Körper hinterlässt sind ebenso unzweideutig als Reflexion über die Situation Israels zu verstehen, wie manche von Abramovićs Arbeiten als Kommentar zur Situation ihrer jugoslawischen Heimat. Ein Bezug, der jedoch nur ebenso lose angedeutet wird wie der zwischen Landau und der deutschen Fotografin Katharina Sieverding. Verhandelt Landau in ihren Arbeiten auch oft den Holocaust, beschäftigt sich mit dem Trauma, das auch in den Nachfahren von Überlebenden noch zu spüren ist, geht es Sieverding in ihrer Arbeit oft um die andere Seite, die der Täter. So physisch wie Abramović oder Landau setzt sie ihren Körper dabei zwar nicht ein, doch in ihren monumentalen Arbeiten reflektiert sie ebenfalls ihre – in diesem Fall deutsche – Identität.

Die vierte im Bunde ist schließlich die aus Iran stammende, inzwischen vor allem in New York lebende Shirin Neshat, die als Fotokünstlerin bekannt wurde, inzwischen aber auch als Filmregisseurin Erfolg hat. „Women without Men“ und „Auf der Suche nach Ohm Kulthum“ liefen auch in deutschen Kinos.

Auch wenn es manche Bezüge zwischen den so unterschiedlichen Künstlerinnen aus vier verschiedenen Ländern gibt, stehen die vier Porträts in Evelyn Schels Dokumentation oft ein wenig nebeneinander. Zumal sie sich bis auf eine Begegnung zwischen Abramović und Neshat auch nicht treffen, um etwa in einem Gespräch über Ähnlichkeiten und Unterschiede ihrer Arbeit zu diskutieren. Bisweilen wirkt „Body of Truth“ dadurch wie ein Zusammenschnitt einer Porträtreihe, die nur durch ein loses Thema zusammengehalten wird.

Gerade über Abramović sind in den letzten Jahren zudem so viele Dokumentarfilme gedreht worden, dass es Schels schwer fällt, neue Akzente zu setzen. So überzeugt „Body of Truth“ vor allem dann, wenn er die Möglichkeit entstehen lässt, den Künstlerinnen bei der Arbeit zuzuschauen, wenn nicht versucht wird, die losen Verbindungen zwischen dem Quartett und ihren am Ende doch sehr unterschiedlichen Ansätzen, allzu sehr zu forcieren.

Michael Meyns