Death By Death – Wenn ich es oft genug sage, wird es wahr

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Die Tragikomödie „Death by Death“ erzählt von der Beziehung des Hypochonders Michel zu seiner kranken Mutter. Mit Michel steht eine ganz außergewöhnliche, verschrobene Figur im Mittelpunkt, die beim Zuschauer ein wahres Sammelsurium an Gefühlen auslöst. Der Film überzeugt zum einen dank seines brillanten Hauptdarstellers, der eine bewegende Performance liefert. Zum anderen liegt der Reiz auch in der ausgewogenen  Mischung aus bedrückender Schwermut und absurd-groteskem Humor, ohne die Figuren der Lächerlichkeit preiszugeben.

Webseite: www.filmkinotext.de

Belgien 2016
Regie & Drehbuch: Xavier Seron
Darsteller: Jean-Jacques Rausin, Myriam Boyer, Serge Riaboukine, Fanny Touron
Länge: 90 Minuten
Verleih: Film Kino Text
Kinostart: 14. Dezember 2017

FILMKRITIK:

Michel Peneud (Jean-Jacques Rausin) ist das Paradebeispiel eines Außenseiters. Er hat trotz seines fortgeschrittenen Alters immer noch eine Art symbiotisches Verhältnis zu seiner Mutter Monique (Myriam Boyer). Sein größtes Problem aber ist seine Angst vor allen möglichen Krankheiten. Seine Hypochondrie wird noch verschlimmert, als bei seiner Krebs diagnostiziert wird und nur noch wenige Monate zu leben hat. Für Michel ein Schock. Nicht zuletzt weil er bald darauf glaubt, selbst unter einer tödlichen Krankheit zu leiden. Fortan kann er nur noch ans Sterben denken. Monique versucht unterdessen, ihre letzten Tage so richtig auszukosten. „Auskosten“ heißt für sie, sich ausgiebig um all jene zu kümmern, die ihr im Leben am wichtigsten sind: ihre Kätzchen und natürlich Michel.

Die kleine, aber feine Indie-Dramödie über eine ganz besondere Mutter-Sohn-Beziehung, erlebte ihre Premiere im vergangenen Jahr auf dem Palm Spring Festival. Beim Filmfest im argentinischen Buenos Aires, entwickelte sich der Film im selben Jahr zum großen Abräumer: er erhielt Auszeichnungen für den besten Hauptdarsteller, die beste Kamera und das beste Drehbuch. „Death by Death“ ist das Spielfilmdebüt von Xavier Seron, der bisher Dokumentationen und Kurzfilme inszenierte.

Im Zentrum von „Death by Death“ steht der liebenswürdige Michel, den man als Zuschauer einfach gern haben muss – trotz oder gerade wegen seiner ausgeprägten Hypochondrie und all der anderen bizarren Merkwürdigkeiten, die sein Wesen auszeichnen.  Dazu gehört auch, sich Haare auf den Kopf zu kleben oder in abseitigen Splatter- und Trash-Horror-Filmen mitzuspielen. Im Alltag verzieht er nur selten eine Miene und nicht einmal beim Liebesspiel mit seiner sexverrückten Freundin,  regt sich etwas in seinem Gesicht. Zur reduzierten Gestik und Mimik sowie einem Äußeren, das an Jesus von Nazareth erinnert, kommt noch eine handfeste psychische Labilität.

Jean-Jacques Rausin brilliert in der Rolle des wortkargen, aber ungemein gutherzigen Sonderlings. Er schafft es, beim Betrachter ein regelrechtes Feuerwerk unterschiedlicher Emotionen zu zünden. Mal ist man ganz entzückt von Michels hingebungsvoller Liebe seiner Mutter und der Freundin gegenüber. Kurz darauf kommt es zu Momenten peinlichen Fremdschämens. Und an anderer Stelle empfindet man als Zuschauer einfach nur Mitleid für den schrägen Kauz, der irgendwann davon überzeugt ist, an Brustkrebs erkrankt zu sein. Hinzu kommt, dass er sein Umfeld ständig mit seinen Ängsten traktiert. Eine herrlich skurrile  „Brust-Abtast“-Szene mit Bekannten, zählt in diesem Zusammenhang zu den Höhepunkten des insgesamt sehr leisen, feinfühligen Humors. Apropos Humor: diesen nutzt Regisseur Seron nie, um sich über seinen Protagonisten lustig zu machen.

Zumal sich in „Death by Death“ die humorvollen Töne mit den tragischen Momenten ohnehin die Waage halten. Hier gelingt Seron eine stets stimmige Balance. Dieses beachtenswerte Gleichgewicht erreicht der Film oft dadurch, dass Augenblicke von Trauer und Schmerz ganz unmittelbar von Szenen abgelöst werden, in denen schwarzer, grotesker Humor vorherrscht. Etwa, wenn sich Monique ganz plötzlich übergeben muss und das Erbrochene kurz darauf von ihren gefräßigen Katzen aufgeleckt wird. Oder wenn sich Michel in seiner Verzweiflung literweise Wodka kauft. Nur, um sich wenig später auf einem Rummel damit zu besaufen: im Riesenrad, im Auto-Scooter, ja sogar am Schießstand. Durch diese Szenen beweist Seron eindrucksvoll, wie eng Tragik und (bittere) Komik im Leben doch beieinanderliegen können.

Björn Schneider