easy love

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Um Beziehungen, Freiheit, Sex und auch ein wenig Liebe geht es in „easy love“, dem Debütfilm von Tamer Jandali, der als Eröffnungsfilm der Perspektive Deutsches Kino seine Weltpremiere erlebte. Ausnahmsweise nicht junge Menschen in Berlin, sondern in Köln stehen im Mittelpunkt, die sich in unterschiedlichsten Lebensentwürfen ausprobieren, die zunehmend mit der Realität kollidieren.

Webseite: easylove-film.de

Deutschland 2019
Regie & Buch: Tamer Jandali
Darsteller: Stella Vivien Dhingra, Sönke Andersen, Sophia Seidenfaden, Lenika Lukas, Niclas Jüngermann, Pina Felizitas, Amelie Liebst
Länge: 88 Minuten
Verleih: mindjazz Pictures
Kinostart: Herbst 2019

FILMKRITIK:

Vier Menschen zwischen Anfang 20 und Ende 30, ein Sommer in Köln. Sophia studiert und ist gerade wieder ins Haus ihrer feministischen Mutter gezogen. Diese ist wenig begeistert vom Nebenverdienst ihrer Tochter: Sophia lässt sich für Sex bezahlen, nicht als klassische Prostituierte, sondern eher in Form von bezahlten Dates, die sie durch die Möglichkeiten des Internet problemlos organisiert.
 
Die lesbische Lenny ist gerade zu Pia gezogen, das Paar scheint schwer verliebt, offen und neugierig. Doch bald stellt sich heraus, dass Pia vorher noch nie mit einer Frau zusammen war. Lenny befürchtet, erneut nur das lesbische Experiment einer Frau zu sein, die für den Moment genug von Männern hat.
 
Sönke ist notorischer Aufreißer, zieht durch die Nächte und landet fast täglich mit einer anderen Frau im Bett. Doch nun steht sein 40, Geburtstag vor der Tür und dann ist da noch diese eine besondere Frau, von der ausnahmsweise er mehr will.
 
Und schließlich Stella, ein Hippie-Mädchen, die mit ihrem Freund Nic in einer offenen Beziehung lebt. Mal geht der eine mit einem anderen nach Hause, mal nehmen sie jemanden zu sich mit, doch was als theoretisches Konzept wie eine ideale, moderne Form der Beziehung wirkt, ist in der Praxis deutlich schwieriger zu leben.
 
Um den Konflikt zwischen Theorie und Praxis geht es bei allen vier Personen, die im Mittelpunkt von Tamar Jandalis Debütfilm stehen. Alle vier leben mehr oder weniger ungewöhnliche Lebensmodelle. Modelle zumindest, die nicht der gesellschaftlichen Norm einer monogamen, heterosexuellen Partnerschaft mit ein, zwei Kindern entsprechen. Alle vier wirken zufrieden mit sich und ihren Leben, ziehen durch die sommerlichen Nächte von Köln, trinken, flirten, nehmen Drogen, haben Sex, doch bald werden ihre Lebensentwürfe auf die Probe gestellt.
 
Was hier jedoch nicht in der klassischen Form eines Beziehungsfilm passiert, sondern in einer offenen, losen Form, die Konflikte und Probleme nur anreißt. Denn Jandali hat in „easy love“ eine ungewöhnliche filmische Form gewählt, die er bewusst widersprüchlich dokumentarischen Spielfilm nennt. Bevor die vier Protagonisten sich zu Beginn des Films kurz vorstellen, vor neutralem Hintergrund einen kurzen Einblick in ihr Lebensmodell geben heißt es zudem: „Es spielen sich selbst.“
 
Zumindest im Ansatz lässt dieser Hinweis vermuten, dass das Quartett weniger Rollen spielt, als zugestimmt hat, sich bei ihrem ganz normalen Leben beobachten zu lassen. Wie weit Akteur und Rolle übereinstimmen, ist letztlich irrelevant, viel entscheidender für den Erfolg des Ansatzes und damit die Qualität des Films ist, dass es Jandali gelungen ist, ein hohes Maß an Authentizität zu erzeugen und einzufangen. Moderne Lebensgefühle schildert er, eine Welt, in der in Beziehungs- und Liebesfragen viel mehr Möglichkeiten bestehen, als früher, in der aber auch eine viel größere Ungewissheit herrscht. Wie schwer es ist, idealistische Konzepte auch wirklich zu leben und dabei sich selbst treu zu bleiben, davon erzählt „easy love“ auf ebenso ungewöhnliche, wie überzeugende Weise.
 
Michael Meyns