Gott existiert, ihr Name ist Petrunya

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In einem der stärksten Filme der letzten Berlinale variiert Teona Strugar Mitevska die Muster des religionskritischen Kinos aus Osteuropa. „Gott existiert, ihr Name ist Petrunya“ nimmt als Ausgangspunkt eine Episode, die sich auf dem Balkan, in Nordmazedonien zugetragen hat, und entwickelt sie zu einem satirischen Film über Religion, Machismo und die Rolle der Frau.

Webseite: jip-film.de/gott-existiert-ihr-name-ist-petrunya

Gospod postoi, imeto i' e Petrunija
Mazedonien/ Belgien/ Frankreich/ Kroatien/ Slowenien 2019
Regie: Teona Strugar Mitevska
Buch: Elma Tataragic, Teona Strugar Mitevska
Darsteller: Zorica Nusheva, Labina Mitevska, Simeon Moni Damevski, Suad Begovski, Stefan Vujisič, Violeta Shapkovska, Xhevdet Jashari
Länge: 100 Minuten
Verleih: jip film & Verleih
Kinostart: 14. November 2019
 

FILMKRITIK:

In der kleinen Nation Nordmazedonien findet alljährlich ein traditionelles Ritual statt: Am Fest der Heiligen drei Könige – das dem orthodoxen, julianischen Kalender folgend am 19. Januar stattfindet – wird ein kleines Holzkreuz in ein Gewässer geworfen. Meist junge Männer springen in die eisigen Fluten und versuchen das Kreuz zu finden. Wem es gelingt, der hat ein Jahr lang Glück. Frauen dürfen an diesem Ritual nicht teilnehmen, doch im Jahre 2014 fand das Ereignis statt, das Mitevska zum Ausgangspunkt ihres Films nimmt: Eine Frau sprang ins Wasser, fand das Kreuz und löste mit diesem Stich ins Herz der konservativen Traditionen einen Skandal aus.

Im Film heißt diese Frau Petrunya – überzeugend gespielt von der Laiendarstellerin Zorica Nusheva in ihrem ersten Film – ist 32 Jahre alt, ledig und arbeitslos. Zwar ist sie promovierte Historikerin, doch mit solch einen esoterischen Metier hat sie kaum eine Chance auf eine Anstellung. Zumal die Strukturen der Gesellschaft von Männern geprägt sind, die sich ihrer Macht sehr bewusst sind. Bei einem Vorstellungsgespräch empfängt der Chef einer Fabrik Petrunya da etwa in einem Glaskasten, inmitten von dutzenden Angestellten, so dass seine Rolle als Hahn im Korb überdeutlich wird.

Und auch in den Institutionen des Staates wäscht eine Männerhand die andere: Der Chef der örtlichen Polizei trinkt mit dem Pfarrer Schnaps, beide sind sich einig, dass das in ihren Augen ungebührliche Verhalten Petrunyas vor allem ein Ärgernis ist, nicht mehr. Doch so leicht macht es Petrunya den Männern nicht, sie mag zwar eine Frau sein, aber dumm ist sie deswegen noch lange nicht.

Ruhig verteidigt sie ihre Position, ihr Recht auf das Kreuz, dass ihr als wenig religiöser Person streng genommen gar nicht wichtig ist. Vor allem ist es ein Symbol für das Versprechen auf Glück, Glück, das Petrunya bislang kaum vergönnt war, nicht nur, aber auch weil sie Frau in einer patriarchalischen Gesellschaft ist.

Denn so einfach macht es sich Mitevska nicht. Statt einen grotesken, sarkastischen Ton anzuschlagen, kein gutes Haar an der Kirche und dem Patriarchat zu lassen, beschreibt sie differenziert und ambivalent eine Gesellschaft, die noch keinen rechten Weg gefunden hat, ihre langen Tradition mit der Moderne zu versöhnen und deren Staus Quo nun von einer ebenso mutigen wie willensstarken Frau auf die Probe gestellt wird.

Michael Meyns