Nur ein Tag in Berlin

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Nicht nur an einem Tag in Berlin spielt der neue Film von Malte Wirtz, er wurde auch an einem Tag gedreht. Diesen experimentellen, improvisierten Charakter merkt man dem Film an, der oft etwas holprig und unbedarft wirkt, aber auch gerade dadurch originell und voller Spielfreude ist.

Webseite: www.dejavu-film.de

Deutschland 2018
Regie: Malte Wirtz
Buch: Malte Wirtz, Sophie Reichert, Bea Brocks
Darsteller: Sophie Reichert, Bea Brocks, Dennis Docht, Manuel Schubbe
Länge: 74 Minuten
Verleih: deja-vu Film
Kinostart: 1. November 2018

FILMKRITIK:

Mia (Bea Brocks) und Linda (Sophie Reichert) sind alte Freundinnen, die sich länger nicht gesehen haben. Früher lebten beide in Berlin, wo sie sich heute, für einen Tag wiedersehen. Linda will bald Thomas heiraten, doch sie zweifelt daran, dass sie ihn wirklich liebt. Mia dagegen hat akute Geldprobleme und überlegt, den verheirateten Mann, mit dem sie seit Jahren eine lose Affäre hat, zu erpressen.
 
24 Stunden ziehen die beiden Freundinnen durch Berlin, lassen ihre alte Freundschaft wieder aufleben, schwelgen in schönen und weniger schönen Erinnerungen, essen, trinken, feiern, nehmen Drogen und müssen am Ende der Nacht erkennen, dass sie sich verändert haben und vor allem, dass sie nicht immer so ehrlich zueinander waren, wie sie geglaubt haben.
 
Völlig außerhalb der üblichen Systeme der Filmförderung dreht Theater- und Filmregisseur Malte Wirtz seit einigen Jahren seine Filme, die dementsprechend oft einen mehr oder weniger großen improvisierten Touch haben. Aber auch eine ganz eigene Energie, wie besonders im letzten Jahr bei „Hard & Ugly“ zu spüren war, einer originellen Großstadt-Liebesgeschichte, die die beschränkten finanziellen Mitteln zu ihrem Vorteil nutzte.
 
Bei „Nur ein Tag in Berlin“ gehen Malte Wirtz und sein Produzent und Kameramann André Groth noch einen Schritt weiter und haben komplett improvisiert gedreht. Nur Rollenbeschreibungen haben sie den beiden Hauptdarstellerinnen Sophie Reichert und Bea Brocks mit auf den Weg gegeben, lose Handlungs-Korridore vorgegeben, in denen das Duo – und teils zufällig auftauchende Personen, die in die Handlung integriert wurden – sich bewegt.
 
Das hört sich ein bisschen willkürlich an und so wirkt es auch bisweilen. Gerade die Überlegung, ihre Affäre zu erpressen, wirkt etwa wenig überzeugend und eher wie ein allzu plakativer Versuch, Dramatik zu erzeugen, als wie etwas, dass diese Figur wirklich tun würde. Andere Elemente dagegen wirken viel glaubwürdiger, die unterschwellige Anziehung zwischen den beiden Frauen etwa, Geheimnisse, Vertuschungen, die im Laufe des Tages und der Nacht langsam an die Oberfläche kommen. Hier beweisen die beiden Darstellerinnen viel Gespür für Improvisation und lassen ihre Figuren zu komplexen Personen werden.
 
Gefilmt ist das Ganze mit einer an Aufnahmen einer Handy-Kamera erinnernden Optik, die meist ganz nah an den beiden Frauen dran ist, oft in langen Einstellungen gefilmt, ohne besonderen Stilwillen. Wie ein Homevideo wirkt „Nur ein Tag in Berlin“ dadurch, wie ein Selfie-Film, ein Eindruck, der noch durch häufig aufblinkende Messages gestärkt wird, die die beiden Frauen bekommen und mit ihren Zeitangaben für ein wenig Struktur sorgen.
 
Ein Experiment ist Malte Wirtz Film also, ein schnell abgedrehter Film, der angesichts seiner kurzen Drehzeit und der augenscheinlich sehr reduzierten Mittel erstaunlich gut und vor allem rund funktioniert.
 
Michael Meyns