Verteidiger des Glaubens

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Das Scheitern eines Papstes nennt Christoph Röhl seine Dokumentation „Verteidiger des Glaubens“ im Untertitel, womit die Richtung seines Porträts des deutschen Papst Benedikt XVI. vorgegeben wird. Noch vor dem Rücktritt Benedikts begann Röhl mit der Arbeit an einem Film, der sich fast vollständig auf den Missbrauchsskandal der katholischen Kirche konzentriert.

Webseite: www.realfictionfilme.de

Dokumentation
Deutschland 2019
Regie & Buch: Christoph Röhl
Länge: 90 Minuten
Verleih: Real Fiction
Kinostart: 31. Oktober 2019

FILMKRITIK:

Nicht nur in Deutschland war die Begeisterung groß, als im April 2005 der deutsche Kardinal Joseph Ratzinger zum Nachfolger des verstorbenen Papst Johannes Paul II. gewählt wurde und fortan einer der größten Institutionen der Menschheit vorstand. Oder einer der größten Sekten, wie Kritiker die auf Verschwiegenheit bedachte Institution der Kirche oft nennen, die sich Anfang des 21. Jahrhunderts schon am Beginn einer der größten Krisen ihrer Geschichte sah.
 
Missbrauchsfälle hatte es zwar immer wieder gegeben, doch nun wurde die Welle der Anschuldigungen immer stärker, verging kaum eine Woche, ohne neue Berichte über Priester, die Kinder sexuell missbraucht hatten, und das in allen Teilen der erdumspannenden katholischen Kirche.
 
Wie Papst Benedikt mit diesem Skandal umgehen würde, sollte sein Pontifikat prägen und daran sollte er scheitern, so die Aussage von Christoph Röhls Dokumentation „Verteidiger des Glaubens.“ Viele Interviewpartner hat Röhl vor die Kamera geholt, Verteidiger Ratzingers, vor allem aber Kritiker, Opfer von Missbrauch, darunter ehemalige Mitglieder der
Kongregation Legionäre Christi, die vor allem in Mexiko aktiv ist und massiv in den Missbrauchsskandal verstrickt war, aber vom Papst bis zuletzt geschützt wurde. Benedikt selbst hat Rohl nicht vor die Kamera bekommen, allein sein ebenso redegewandter wie telegener Privatsekretär Georg Gänswein steht Rede und Auskunft, wobei sich seine Rede eher auf Plattitüden und Floskeln beschränkt.
 
Erstaunlicherweise konnte Röhl, der die Arbeit an seinem Film lange vor dem Rücktritt von Papst Benedikt 2013 begann, auch in den Archiven des Vatikans recherchieren und kann so die lange Karriere Ratzingers ab den 60er Jahren reichhaltig und interessant bebildern. Damals galt Ratzinger für kurze Zeit als Reformer, der die zunehmende Diskrepanz zwischen der erzkonservativen katholischen Kirche und der Realität der 60er Jahre, in der zumindest Teile der westlichen Gesellschaft nach immer größerer Offenheit und Liberalität verlangte, überbrücken sollte. Doch damit war es bald vorbei.
 
Nach Stationen in Tübingen und Regensburg, wurde Ratzinger zum Erzbischof von München Freising und bald zum Vertrauten von Papst Johannes Paul II., der nach außen oft als Unterstützer der polnischen Arbeiterbewegung Solidarność auftrat und sicherlich seinen Teil zum endgültigen Scheitern des sozialistischen Blocks beitrug, nach innen jedoch jegliche Reformbemühungen im Keim erstickte.
 
In diesem Sinne machte Papst Benedikt weiter, versuchte soweit es ging den Zeitgeist zu ignorieren und trug damit zur zunehmenden Isolation der Katholischen Kirche bei. Ob man ihn deswegen gleich als tragische Gestalt betrachten soll oder kann, so wie es etliche Interviewpartner tun? Zumindest mit Blick auf den Missbrauchsskandal kann man Benedikts Pontifikat als gescheitert betrachten, was er darüber hinaus tat oder unterließ ist nicht Thema von Christoph Röhls Dokumentation „Verteidiger des Glaubens“, die sich weitestgehend auf einen Aspekt beschränkt, diesen aber umfassend bearbeitet.
 
Michael Meyns