A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe

Zum Vergrößern klicken

Eine Illusionsmaschine ist das Kino, ein Ort der unbändigen Phantasie und der unbegrenzten Möglichkeiten. Genau darum geht es auch Nicolette Krebitz neuem Film „A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe“, der von einer ungewöhnlichen Liebesgeschichte erzählt, wie sie (fast) nur im Kino passieren kann, der mal ins Surreale abdriftet, dann zur Hommage an die Nouvelle Vague wird. Ein wilder Ritt, nicht immer rund, aber jederzeit faszinierend.

Deutschland 2022
Regie & Buch: Nicolette Krebitz
Darsteller: Sophie Rois, Milan Herms, Udo Kier, Nicolas Bridet

Länge:105 Minuten
Verleih: Port-au-Prince/24 Bilder
Kinostart: 16. Juni 2022

FILMKRITIK:

Als Schauspielerin wurde Autorin und Regisseurin Nicolette Krebitz bekannt. Eine der bekanntesten Schauspielerinnen des deutschsprachigen Raums ist Sophie Rois, die in „A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe“ wiederum eine Schauspielerin spielt, die ihre besten Tage hinter sich hat. Alle Beteiligten wissen also wovon sie reden, wissen von den Höhen und Tiefen ihres Berufs, aber auch von den Klischees und Vorurteilen, mit denen sie konfrontiert sind und mit denen hier gespielt wird.

Mit dem A beginnt alles, heißt es zu Beginn von „A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe“ und so heißt die von Sophie Rois gespielte Hauptfigur dann auch: Anna. Sie ist Schauspielerin, doch mit ihren 60 Jahren findet das deutsche Kino keine Verwendung mehr für sie. Nur wo sie nicht gesehen wird, im Hörspielstudio, findet sie noch einen Job – und muss sich dort den Übergriffen ihres Sprechpartners erwehren, der gar nicht weiß, was sie hat. Wutentbrannt rennt Anna aus dem Studio und auf der Straße widerfährt ihr das nächste Unglück: Ein junger Mann stiehlt ihr die Handtasche. Zum Glück findet sie Trost bei ihrem Vermieter Michel (Udo Kier), der vor allem väterlicher Vertrauter und Ratgeber in Sachen Leben ist. Und der etwas irritiert blickt, als ein paar Tage später Adrian (Milan Herms) nach dem Weg zu Anna fragt, ein Teenager, jung, wild und mit der für seine Generation üblichen schnoddrigen Aussprache. Für ein Schultheaterstück soll Anna ihn unterrichten – und erkennt in Adrian den Taschendieb.

Natürlich werden sich Lehrerin und Schüler näher kommen, sich verlieben, eine Nacht miteinander verbringen, eine kurze, intensive Amour Fou durchleben. Dass ist so offensichtlich, dass von Anfang an deutlich wird, dass Nicolette Krebitz es darauf anlegt, mit Klischees zu spielen. Allerdings auf eine Weise, die den Klischees den Spiegel vorhält, die mit den Erwartungen des Publikums spielt, mit Vorstellungen davon, wie sich eine 60jährige zu verhalten hat, was akzeptabel, was seltsam ist.

Voller Gegensätze ist „A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe“, stellt die erfahrene Sophie Rois gegen den jungen Milan Harms, eine Schauspielerin, die für ihre markante, hoch präzise Aussprache bekannt ist, gegen einen Newcomer, der hier so schnoddrig spricht, wie man es von Menschen seiner Generation erwartet – oder von einem jungen Paul Belmondo. Dessen Lederjacke scheint sich Adrian ausgeliehen zu haben, aber auch dessen Coolheit, erst recht, als der Film im letzten Drittel an die Côte d’Azur wechselt, nach Cannes, an den heiligsten Ort des Kinos, wo das Duo Anna/Adrian in den engen Gassen der Stadt tobt und schließlich außer Atem im Bett landet.

„Wild“ hieß Nicolette Krebitz letzter Film, der ihren Durchbruch als Regisseurin bedeutete, und wild mutet auch „A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe“ an: Wild in der Erzählweise, die frei zwischen den Genres wechselt, wild aber auch im Spiel mit Verweisen und Bezügen, die auf spielerische Weise von der Liebe erzählen, vom Wesen des Kinos, von Illusionen und Projektionen. Ein reicher Film, bei allen Ideen nicht immer rund, aber so voller Wagemut und Originalität, wie man es im deutschen Film gerne viel häufiger sehen würde.

 

Michael Meyns