Alice Schwarzer

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Alice Schwarzer. Ein Name, der sofort Assoziationen weckt, bei manchen positive, bei manchen negative. Die Verdienste der Frauenrechtlerin und Journalistin sind unbestritten, wie Sabine Derflingers Dokumentarfilm „Alice Schwarzer“ deutlich macht. Berechtigte Kritik an manchen von Schwarzers aktuellen Positionen bleiben allerdings außen vor, so kontrovers wie seine Protagonisten zu sein, das wagt Derflingers Film nicht.

Webseite: https://aliceschwarzerfilm.de/

Österreich/ Deutschland 2022
Regie: Sabine Derflinger
Dokumentarfilm

Länge: 102 Minuten
Verleih: Mizzi Stock/FilmAgentinnen
Kinostart: 15. September 2022

FILMKRITIK:

Als „Männerschreck“ wurde sie bezeichnet, zur „Buhfrau“ gestempelt, ihren Redefluss könnte man nur stoppen, wenn man ihr die Zunge herausreißt, wurde gesagt. Diese Aussagen zählen noch zu den harmloseren, mit denen Alice Schwarzer bedacht wurde. Und zwar nicht in der Anonymität der sozialen Medien, sondern ganz offen und unverblümt auf den Titelseiten deutscher Tageszeitungen.

Trotz mancher Emanzipationsanstrengungen der 68er war es auch in den 70er Jahren für eine Frau und erst recht für so eine selbstbewusst auftretende wie Alice Schwarzer keine Selbstverständlichkeit, ihre Meinung zu sagen, erst recht nicht im deutschen Fernsehen. Dort wurde Alice Schwarzer bekannt, dort zeigte sie Macho-Journalisten wie Rudolf Augstein oder Henri Nannen die Grenzen auf, bevor sie 1977 selbst zur Herausgeberin wurde: In Köln wurde die „Emma“ gegründet, das feministische Magazin, das auch 45 Jahre später noch existiert, zwar nicht mehr mit Alice Schwarzer als Chefredakteurin, aber immer noch als leitende Hand.

Die Bedeutung, die Alice Schwarzer für den deutschen, aber auch internationalen Feminismus hatte, kann nicht hoch genug gewürdigt werden und das tut Sabine Derflinger in ihrem Dokumentarfilm „Alice Schwarzer.“ Viel Archivmaterial hat die österreichische Regisseurin zusammengetragen, Interviews mit Wegbegleiterinnen geführt, vor allem aber mit Alice Schwarzer selber gesprochen.

Vielleicht ist es unvermeidbar, dass bei einem Porträt über eine so streitbare, so kommunikative Person wie Alice Schwarzer, vor allem die Porträtierte selbst zu Wort kommt, in diesem Fall führt dies jedoch zu einer inhaltlichen Leerstelle. Denn in den letzten Jahren ist die Kritik an Alice Schwarzer und ihren Positionen immer lauter geworden, haben Feministinnen späterer Generationen zwar die Wirkung von Schwarzer Arbeit gewürdigt, ihr aber auch ein allzu starres und manchmal auch stures Beharren auf veralteten Positionen vorgeworfen. Gerade in Bezug auf Felder wie den Islamismus, Pornographie oder Transsexualität verzichtet Derflinger darauf, Schwarzers Positionen einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Auch ihre breit diskutierte Steuerhinterziehung oder ihre Bereitschaft, sich für eine Werbekampagne der BILD zur Verfügung zu stellen und später sogar journalistisch für das einst so vehement angegriffene Boulevardblatt zu arbeiten, werden nicht thematisiert.

Dass fast jede biographische Dokumentation, gerade über eine noch lebende Person mehr oder weniger hagioghraphische Züge trägt ist wohl kaum zu vermeiden. Doch gerade bei einer so streitbaren und kontroversen Person wie Alice Schwarzer, wäre etwas mehr kritische Auseinandersetzung mit dem Subjekt wünschenswert gewesen. So bleibt Sabine Derflingers „Alice Schwarzer“ ein zwar interessantes Porträt einer wichtigen Persönlichkeit der deutschen intellektuellen Öffentlichkeit, das in manchen Aspekt allerdings nicht die Schärfe und die Lust an der Konfrontation erreicht, das Alice Schwarzer selbst bis heute auszeichnet.

 

Michael Meyns