Alles über Martin Suter. Ausser die Wahrheit.

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Er ist begabter Kolumnist, gefragter Songtexter und mit über fünf Millionen verkauften Büchern der erfolgreichste und meistgelesene Schweizer Schriftsteller: Martin Suter. Auf ungewöhnliche, hochinteressante Weise setzt sich „Alles über Martin Suter. Ausser die Wahrheit“ gleichsam privat und beruflich mit dem Ausnahme-Poeten auseinander. Der Film baut auf visualisierte Szenen aus Suters Geschichten, ist fast mehr Fiktion als Dokumentation und bringt einem die Arbeitsweise sowie Motivationen des Schweizers anhand von Kollegen-Interviews näher.

Webseite: www.dcmstories.com/de/collection/alles-ueber-martin-suter-ausser-die-wahrheit/

Schweiz, Deutschland 2022
Regie: André Schäfer
Drehbuch: André Schäfer

Länge: 94 Minuten
Kinostart: 06.10.2022
Verleih: DMC

FILMKRITIK:

„Ein perfekter Freund“, „Lila, lila“, „Der Teufel von Mailand“ oder „Der Koch“ – die Werke des Schweizer Literaten und Songtexters Martin Suter finden viele Leser auf der ganzen Welt. In 35 Sprachen wurden die Bücher des gelernten Werbetexters bislang übersetzt. In seinen Geschichten nimmt Suter dabei immer wieder bestimmte Personen- bzw. Gesellschafts-gruppen und deren Hang zu kriminellen Machenschaften kritisch ins Visier. Etwa im Finanzsektor oder in der Medizin.

Regisseur André Schäfer begibt sich in „Alles über Martin Suter. Ausser die Wahrheit“ in die fiktiven Welten von Suters Geschichten und an einige Schauplätze seiner Bücher. Ohne das Privatleben des Mannes zu vernachlässigen, der in seinen Büchern Krimi-Elemente mit Gesellschaftskritik so gekonnt auf den Punkt bringt wie wenige andere.

Häufig scheint es in den Romanen Suters so, als würden die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion, zwischen Realität und Dichtung, verschwimmen. Zwar erfindet Suter, der viele Jahre erfolgreich als Kolumnist tätig war, die Geschichten innerhalb seiner literarischen Welten – doch lässt er sich nur allzu oft von wahren Ereignissen und dem „kriminellen Potential“ der Menschen inspirieren. Ebenso verschwimmt in „Alles über Martin Suter. Ausser die Wahrheit“ jene Grenze. Die zwischen Erfindung und Wahrheit.

André Schäfers Doku ist allein deshalb schon kein klassisches Porträt oder eine gängige Schriftsteller-Biografie. Sein Ansatz ist experimenteller und künstlerischer. Am spannendsten ist der Film, wenn er Suter direkt auf einige Protagonisten und Kernmomente seiner Werke treffen lässt: „Alles über Martin Suter…“ bildet in inszenierten Nachstellungen Szenen, Handlungsstränge und ausgewählte Situationen aus einigen Schlüsselwerken Suters ab, darunter „Die dunkle Seite des Mondes“ und „Small World“. Suter selbst wird mal unmittelbarer Teil dieser Inszenierungen, mal agiert er nur als stiller Beobachter aus dem Hintergrund oder als Erzähler. Gerade für diejenigen Zuschauer, welche die entsprechenden Bücher und Geschichten kennen, sind diese Visualisierungen spannend mitanzusehen.

Weitere Einblicke in das berufliche Schaffen und die Kreativität Suters gewähren andere Autoren und befreundete Künstler, darunter der Chansonnier Stephan Eicher. Eicher sorgte in den 80er-Jahren als Teil der NDW-Band Grauzone („Eisbär“) für Furore und arbeitet seit vielen Jahren mit Suter, der vor allem für Schweizer Musiker als Songtexter fungiert, zusammen. Auch Philipp Keel, Suters Verleger, gibt Auskunft über die Zusammenarbeit mit dem erfolgreichen Schriftsteller. Die Äußerungen gewähren lehrreiche Einblicke in die vielfältigen Wirkungs- und Arbeitsbereiche des begnadeten Wortakrobaten – und zwar abseits des Schriftsteller-Daseins.

Darüber hinaus streift Schäfer auch das Private, bleibt hier jedoch meist an der Oberfläche. Wenn er seinen Protagonisten auf Guatemala besucht oder mit ihm am Strand von Heiligendamm verweilt und ins Gespräch kommt, dann erfährt der Betrachter leider nicht wirklich viel Überraschendes oder Erhellendes über den Privatmann Suter. Hier bleibt „Alles über Martin Suter…“ leider zu vage und zaghaft, ohne neue Facetten rund um den in der Öffentlichkeit stets adrett gekleidet, makellos und eloquent auftretenden Poeten Suter herauszuarbeiten.

 

Björn Schneider