Ballade von der weißen Kuh

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Die iranisch-französische Ko-Produktion erzählt in intensiven Bildern von den Folgen eines Fehlurteils und stellt damit nicht nur dieses, sondern das ganze System in Frage. In „Die Ballade von der weißen Kuh“ geht es um die Todesstrafe, ihre Konsequenzen und ihre Bedeutung, sowie das moralische Gewicht dieser Strafe. Denn sowohl die Befürworter, als auch die Gegner sehen sich moralisch legitimiert. Der Film lief im Wettbewerb der Berlinale und ist ein gutes Beispiel für das neue iranische Kino.

Website: www.weltkino.de/filme/ballade-von-der-weissen-kuh

Ghasideh gave sefid
Iran, Frankreich 2020
Regie: Behtash Sanaeeha, Maryam Moghaddam
Buch: Mehrdad Kouroshniya, Maryam Moghadam, Behtash Sanaeeha
Darsteller: Maryam Moghaddam, Alireza Sanifar, Pourya Rahimisam, Avin Purraoufi, Farid Ghobadi
Länge: 105 Minuten
Verleih: Weltkino
Kinostart: 03.02.2022

FILMKRITIK:

„Man darf den Menschen nicht ihre Rechte verweigern. Die Todesstrafe ist ein Menschenrecht“, wird zu einem der Richter gesagt, der die Todesstrafe an einem Unschuldigen verhängte und darüber am Verzweifeln ist. Er ist Sinnbild für ein System, an dem die Witwe Mina verzweifelt. Ihr Mann wurde vor einem Jahr hingerichtet, dann stellte sich heraus, dass er unschuldig war. Man will sie mit Blutgeld entschädigen, Mina will jedoch mehr. Sie will die Verantwortlichen zur Rede stellen, während sie ein Leben lebt, in dem man sie meidet, weil eine alleinerziehende Mutter in diesem Land Paria-Status genießt. Eines Tages lernt sie einen Mann kennen, der sich als Freund ihres Mannes ausgibt und seine Schulden begleichen möchte.

Maryam Moghaddam hat zusammen mit Behtash Sanaeeha inszeniert, aber auch die Hauptrolle übernommen. Die Doppelbelastung merkt man ihr nicht an. Der Film ist exakt inszeniert und lebt von eindrucksvollen Bildkompositionen. Schon die erste Einstellung mit der weißen Kuh im Gefängnishof ist sehr faszinierend. Dieses Bild, aber auch der Titel, spielen auf eine Sure im Koran an, in dem die weiße Kuh als Sinnbild für einen Unschuldigen steht.

„Die Ballade von der weißen Kuh“ stellt die Frage nach Schuld und Sühne, nach Recht und Gesetz, und wie dieses in den Händen von Menschen zerfasern kann. Die Figur des Richters, der an seinem eigenen Urteilsspruch verzweifelt, wird mit der Moral seines Handelns konfrontiert. Sein Sohn führt an, dass dem Verbrechen auch in Ländern ohne Todesstrafe Einhalt geboten wird, sein Kollege sieht sie als göttlichen Willen. Auf die Weise erklärt er auch das Fehlurteil. Gott hat es so gewollt. Eine einfache Art, sich der eigenen Schuld zu entziehen, da jedes Handeln Relevanz verliert, wenn in der ultima ratio ein höheres Wesen immer für alles verantwortlich ist.

Der Film funktioniert auf mehreren Ebenen. Als ein Werk, das zeigt, wie jemand versucht, das Nichtwiedergutzumachende irgendwie doch gutzumachen, aber auch als eine Produktion, die das Drama dieses Versuchs schmerzhaft gewiss werden lässt. Denn wie der Richter sich seinen Weg ins Leben von Mina und ihre Tochter bahnt, ist vom Wunsch nach Sühne getrieben, aber im Grunde natürlich auch ein ungewollt perfides Spiel. Die Wechselwirkung dieser beiden Lesarten ist es auch, die den Film so intensiv geraten lässt. „Die Ballade von der weißen Kuh“ ist ein starker, zur Diskussion anregender Film, der lange nachwirkt.

Peter Osteried