Cloudy Mountain

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In den letzten Jahren hat sich die chinesische Kinoindustrie zu einer der umsatzstärksten der Welt entwickelt. Doch die dabei produzierten Mainstream-Filme finden nur selten den Weg in die westlichen Kino. Eine Ausnahme ist nun „Cloudy Mountain“, ein Actionspektakel, das in atemloser Montage vom Versuch erzählt, eine Umweltkatastrophe zu verhindern.

Feng Bao
China 2021
Regie: Li Jun
Buch: Li Jun & Sha Song
Darsteller: Zhu Yilong, Huang Zhizhong, Chen Shu, Jiao Lunyan, Cheng Taishen, Wang Ge, Lu Siyu

Länge: 116 Minuten
Verleih: Plaion Pictures/24 Bilder
Kinostart: 01. Dezember 2022

FILMKRITIK:

Aufmerksamen Kinozuschauern werden chinesische Regisseure wie Zhang Yimou oder Chen Kaige ein Begriff sein, die in den 80er und 90er Jahren mit ihren sozialkritischen Filmen auf internationalen Festivals Erfolge feierten und regelmäßig in westlichen Arthouse-Kinos zu sehen waren. Dass China neben diesen sanft gesellschaftskritischen Filmen, auch ein vielfältiges Mainstream-Kino produzierte konnte leicht übersehen werden. Ähnlich wie im Verhältnis zu anderen autokratischen Regimen wie Iran oder Russland, werden einem westlichen Publikum fast ausschließlich Filme vorgesetzt, die die jeweiligen Regime mehr oder weniger stark in Frage stellen, die also dem westlichen, kritischen Blick genügen.

Gerade China produziert inzwischen jedoch unverhohlen patriotische, um nicht zu sagen nationalistische Filme, die mit riesigem Aufwand produziert werden und fast nur in China selbst gezeigt werden. Doch der riesige Markt von weit über einer Milliarde Chinesen reicht aus, um Produktionskosten von bisweilen über 100 Millionen Euro zu refinanzieren, Summen, von denen das deutsche Kino nur träumen kann.

Mit „Cloudy Mountain“ kommt nun einer dieser Mainstream-Filme in die deutschen Kinos. Kein ultrapatriotisches Spektakel wie „Die Schlacht um den Changjin-Stausee“, der eine Episode aus dem Korea-Krieg zur nationalistisches Heldengeschichte stilisierte und zum erfolgreichsten Film der chinesischen Geschichte avancierte, sondern eine einfache, um nicht zu sagen schlichte Heldensaga.

Hauptfigur sind ein Vater und sein Sohn, zwei Männer, die seit Jahren entfremdet sind, im Zeichen der Katastrophe aber wieder zueinander finden. Der Vater Hong (Huang Zhizhong) war einst Soldat bei der Eisenbahn und ist ein Mann alten Schlages, der die Entwicklungen der Moderne ablehnt. Sein Sohn Yizhou (Yilong Zhu) dagegen arbeitet unermüdlich für den Fortschritt. Er ist Angestellter bei einem der Riesenprojekte, mit denen China seit Jahrzehnten sein Land verändert, Brücken und Tunnel baut und entlegene Landstriche erschließt.

Hier ist es ein gigantisches Tunnelprojekt, das kurz vor dem Abschluss steht, allerdings in einer Region entsteht, die bekannt für Erdbeben ist. Und so kommt es, wie es in einem Katastrophenfilm kommen muss, die Erde bebt, der Tunnel stürzt ein und da man sich im sehr bevölkerungsreichen China befindet, sind nicht bloß Tausende, sondern gleich Hunderttausende bedroht.

Wenn man mag, könnte man in der Konstellation einen Hauch von Kritik an der halsbrecherischen Modernisierung des Landes sehen, die oft ohne Rücksicht auf Verluste – von Menschen und vor allem Natur – vorangetrieben wird, aber das wäre wohl doch ein zu westlicher Blick. Denn im Kern will „Cloudy Mountain“ ein Actionspektakel sein, in dem individueller Heroismus in den Vordergrund gestellt wird. Inhaltlich ist das am Ende nicht allzu weit von vergleichbaren Hollywood-Filmen entfernt, mit dem am Ende vielleicht doch bezeichnenden Unterschied, dass sich dort die Helden in erster Linie für ihre kleinen Familien opfern, während hier das Opfer für die große Familie begangen wird: Den chinesischen Staat.

Doch diese Ideologie bleibt meist im Hintergrund, wird kaschiert von einem Schnittgewitter, das kaum einen Moment Ruhe lässt, zumal die Kamera schwerelos dahinrast und jede Dialogszenen gefilmt ist als ginge es in jedem Moment um alles. Dass die Computereffekte nicht von bester Qualität sind verleiht „Cloudy Mountain“ oft den Anstrich eines Computerspiels, so künstlich und überdreht wirkt das Geschehen. Am Ende zeigt sich dann vor allem, in welche Richtung sich die chinesische Filmindustrie abseits vom Festivalkino entwickelt und wie ein Blockbuster aussehen kann, der nicht aus Hollywood stammt.

 

Michael Meyns