Coppelia

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Es ist ein ungewöhnlicher Film, der mit „Coppelia“ in die Kinos kommt. Er erzählt eine Geschichte nur über die Wirkkraft der Musik und des Tanzes – und das vor einer künstlich anmutenden Kulisse. Die 150 Jahre alte Geschichte um eine Frau, die nicht nur ihren Geliebten, sondern den ganzen Ort davor bewahren muss, einem sinisteren Doktor zu verfallen, ist dabei ausgesprochen modern.

Website: https://www.24-bilder.de/filmdetail.php?id=880

Niederlande / Belgien / Deutschland 2021
Regie & Buch: Jeff Tudor, Steven De Beul, Ben Tesseur
Darsteller: Michaela DePrince, Daniel Camargo, Vito Mazzeo, Darcey Bussell, Irek Mukhamedov
Länge: 82 Minuten
Verleih: SquareOne, Vertrieb: 24 Bilder
Kinostart: 16.12.2021

FILMKRITIK:

Für Swan könnte das Leben nicht schöner sein. Sie ist in ihren Franz verliebt – und er liebt sie. Aber schon bald hat Franz nur noch Augen für die künstliche Coppelia, die vom zwielichtigen Dr. Coppelius erschaffen wurde. Doch um ihr Leben einzuhauchen, benötigt er die menschlichen Qualitäten der Stadtbewohner, denen er ewige Schönheit verspricht, die er damit aber auch dafür blendet, was wirklich mit ihnen geschieht.

Das Ballett ist bereits 150 Jahre alt, den Film dient als direkte Inspiration jedoch die niederländische Bühneninszenierung aus dem Jahr 2016. Dabei wird hier nicht abgefilmtes Ballett geboten. Vielmehr versteht es „Coppelia“ die Stärken des Mediums Film zu nutzen, verzichtet aber auf eine der Kern-Ingredienzien moderner Erzählung: Dialoge. „Coppelia“ ist im besten Sinne immer auch eine Ballett-Vorführung, aber damit droht der Film natürlich auch, Zuschauer zu verlieren.

Denn nicht jeder ist von dieser Kunstform eingenommen. Freunde des Balletts oder auch nur jene, die ein flüchtiges Interesse daran haben, werden hier spielerisch in die Geschichte hineingezogen. Der Kontrast der realen Menschen mit dem wundervollen Ausdruck der Bewegung und die gezeichneten Hintergründe ist ungewöhnlich. Es verleiht dem Ganzen etwas Märchenhaftes. Das dürfte vor allem jüngeren Zuschauern gefallen, weil sich „Coppelia“ der Präsentation wegen, aber auch der ganz klaren Schwarzweißzeichnung wie ein Märchen gebiert. Subtilität ist dabei nicht gefragt. Wenn Doktor Coppelius agiert, dann immer mit offenkundiger Verschlagenheit – das Bildnis eines Schurken, der sich schon auch mal den Bart zwirbelt.

Die alte Geschichte ist erstaunlich modern, da es nicht nur um den Schönheitswahn geht, sondern der Film seine Hauptfigur Swan auch feministisch auflädt. Sie bleibt nicht nur sich selbst treu, sondern rettet eine ganze Stadt. Eine ungewöhnlich starke Frauenfigur, vor allem für eine Geschichte, die derartig alt ist. Aber alt wirkt sie in der kühnen Inszenierung von „Coppelia“ nie.

Die Bilder, die dieser Film präsentiert, vergisst man lange nicht. Die Choreographie ist dabei exzellent mit der Animation kombiniert. Bestes Beispiel ist dafür, als Coppelius mit seiner Schöpfung Coppelia tanzt. Der Schauspieler agiert hier in perfekter Einheit mit seinem gänzlich am Computer animierten Kunstgeschöpf.

„Coppelia“ ist sicherlich kein Film für jedermann, aber ein faszinierendes Experiment, das geglückt ist und eine cineastische Ausnahmeerscheinung darstellt.

Peter Osteried