Daniel Richter

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Vom Rebellen zum gefeierten Künstler – das Biopic profitiert von der Begegnung zweier kreativer Menschen mit vielen Gemeinsamkeiten: Daniel Richter, einer der weltweit bekanntesten Maler, und der Filmemacher, Oscar-Preisträger Pepe Danquart (unvergessen: „Schwarzfahrer“), der zuletzt mit „Vor mir der Süden“ (2020) auf den Spuren von Pierpaolo Pasolini durch Italien reiste.
Das ungewöhnliche Porträt ist ein filmischer und ästhetischer Genuss … und noch mehr: ein unterhaltsamer und spannender Film über Kunst, Politik, Philosophie und das Kleine im Großen.

Webseite: www.weltkino.de

Deutschland 2022
Drehbuch und Regie: Pepe Danquart
Kamera: Daniel Gottschalk

Länge: 118 Minuten
Verleih: Weltkino
Kinostart: 02.02.2023

FILMKRITIK:

Wie entsteht Kunst? Woran erkennt man die Qualität eines Gemäldes? Warum gilt ein Bild als Kunst, und ein anderes nicht? – Daniel Richter, der Ex-Punk und In-Maler, einer der gefragtesten auf dem Welt-Kunstmarkt, hat viel dazu zu sagen und zu zeigen. In Pepe Danquarts filmischer Biografie geht es nämlich weniger um Richters sicherlich interessante Lebensgeschichte, sondern vor allem um seine Philosophie als Künstler, seine Rolle in der Gesellschaft und natürlich um seine Werke: unzählige prinzipiell farbenfrohe und meist großformatige Bilder, irgendwo zwischen abstrakter und gegenständlicher Darstellung, schwungvoll und in kühner Linienführung, die manchmal aussehen, als ob Gedanken am Stock gehen oder Pirouetten drehen. Zum Malen braucht Daniel Richter vor allem Musik, viel Platz und seine beiden Papageien, die genauso bunt und fröhlich aussehen wie viele seiner aktuellen Bilder. Auch wenn diese sich in manchem ähnlich sind: Er mag keine Wiederholungen, und was seine künstlerische Entwicklung betrifft, hat er schon so einige Phasen hinter sich (und hoffentlich auch noch vor sich!), die mit seiner Identität als politischer Mensch ebenso viel zu tun haben wie mit seinem kreativen Reifungsprozess. Kurz und gut: Die Bilder haben alle sehr viel von ihm, und manchmal erscheinen sie geradezu kongruent mit seiner Persönlichkeit.

Angefangen hat alles in Eutin, wo Daniel Richter 1962 geboren wurde. Mit 16 flog der junge Rebell zuhause raus und ging nach Hamburg. Aber davon oder von seinem Privatleben handelt der Film nicht, er erzählt höchstens ein bisschen von den Jahren in der autonomen Szene in Hamburg, wo Daniel Richter Plakate und Plattencover für Punkbands entwarf. Irgendwann ging er auf die Kunsthochschule und machte das Malen endgültig zum Beruf. Im Film erweist er sich als ein von Bildern besessener, sehr offener und durchaus charmanter Künstler, dessen anarchischer Humor sich in seinen Bildern spiegelt. Bereitwillig gibt er Einblicke in den Entstehungsprozess: Das notwendige, aber nicht besonders interessante Grundieren gehört ebenso dazu wie die Entscheidung über Linienführung, Farben und Details. In seinem Atelier ist viel Platz für die Großformate, und das ist wichtig für Richter, der gern gleichzeitig an mehreren Bildern arbeitet. Das Atelier ist sein Arbeitsplatz, wo er täglich viele Stunden verbringt. Stets begleitet von Musik – viel Jazz ist dabei – und von den beiden Papageien, mit denen er sich öfter mal eins pfeift. Zwischendurch gibt’s Gymnastik, denn das Malen auf den Großformaten ist körperlich anstrengend. Während er malt, ist er häufig im Off zu hören, und manchmal redet und erzählt er beim Malen. Es sind kluge, oft witzige und bestechend einfache, sehr schlüssige Gedanken, die er äußert. Einige Freunde und Wegbegleiter kommen ebenfalls zu Wort: Kunstsammler, Galeristen, Kollegen. Darunter sein langjähriger Freund Jonathan Meese, der vielleicht am ehesten dem auch heute noch üblichen Klischee eines leicht durchgeknallten Künstlers entspricht, und der dänische Maler Tal R, ebenfalls ein guter Kumpel – gemeinsam bilden sie ein sympathisches künstlerisches Dreigestirn der Unterschiede und Ähnlichkeiten, die sich dem Werk der anderen mit einer Mischung aus höchstem Respekt und großer Unbekümmertheit nähern.

Pepe Danquart, ebenfalls ein Meister seines Fachs, hat Daniel Richter für diesen Film unter anderem bei der Arbeit für eine Ausstellung in New York begleitet: von der Entstehung der Bilder, die alle auf ein gemeinsames Motiv zurückgehen, bis zur wichtigen Frage der Hängung in der Galerie und dem Abend der Vernissage. Dieser Aufbau bildet den lockeren Rahmen für die Begegnungen mit Daniel Richter, was erst im Verlauf deutlich wird – eine außergewöhnliche und bestrickend passgenaue Struktur für diesen Film über einen Künstler, der es gewöhnt ist, aus dem Chaos seiner Gedanken visuelle Strukturen zu schaffen und mit viel intelligentem Witz seine eigenen Werke interpretiert. Manchmal scheint es, als ob Daniel Richter von Unruhe und Rastlosigkeit getrieben ist, doch er kann ebenso auch gelassen und sogar charmant sein, zum Beispiel im Gespräch mit Galeriegästen oder beim Sponsorenessen. Er selbst hätte nie gedacht, dass er einmal vom Malen gut leben können würde. Dabei ist er alles andere als saturiert. In seinen politischen Analysen und seinem anarchischen Humor, der genauso zu ihm gehört wie seine ständige Suche nach Narrativen, die er für seine Bilder nutzen kann, ist er immer noch ein Rebell. Einer, der sich treu geblieben ist.

 

Gaby Sikorski