Der Gesang der Flusskrebse

Zum Vergrößern klicken

Der Roman „Der Gesang der Flusskrebse” war ein weltweites Bestseller-Phänomen, der Millionen Menschen in den Bann zog. Im Mittelpunkt steht das alleinlebende Sumpfmädchen Kya, das sich im Marschland North Carolinas selbst großzieht und von dem lebt, was die Natur hergibt. Die gleichnamige Verfilmung erweist sich als toll bebilderter, kraftvoll gespielter Mix aus Romanze, Natur-Drama, Thriller und Gerichtsfilm. Das Problem ist die an vielen Stellen zu behäbige Erzählweise sowie eine allgemeine Langsamkeit, die das Geschehen eins ums andere Mal ausbremst.

Webseite: www.sonypictures.de/film/gesang-der-flusskrebse

USA 2022
Regie: Olivia Newman
Drehbuch: Lucy Alibar
Darsteller: Daisy Edgar-Jones, Taylor John Smith,
Harris Dickinson, David Strathairn

Länge: 125 Minuten
Kinostart: 18.08.2022
Verleih: Sony Pictures Germany

FILMKRITIK:

Kya (Daisy Edgar-Jones) wurde als Kind von ihrer Familie verlassen und wird in den rauen, unnachgiebigen Sumpflandschaften North Carolina erwachsen. Viele Jahre gingen Gerüchte über das „Marsch-Mädchen“ in der Gemeinde Barkley Cove um, wodurch sich die Bewohner von dem Mädchen fernhielten. Kya lebt unterdessen isoliert und auf sich allein gestellt im Marschland mit seinen Salzwiesen und Sandbänken. Als zwei junge Männer Jahre später auf die zu einer Schönheit herangewachsenen „Wilden“ aufmerksam werden, öffnet Kya sich einem neuen Leben – mit dramatischen Folgen. Denn als Chase Andrews (Harris Dickinson) tot aufgefunden wird, gerät die schüchterne Kya unter Mordverdacht.

Nach seiner Veröffentlichung 2018 entwickelte sich der Roman „Der Gesang der Flusskrebse“ von Delia Owens zu einem weltweiten Riesenerfolg. Die Leser fanden Gefallen an der Mixtur aus Spannung, Mystery, Bildungs- und vor allem Naturroman, den Olivia Newman mit erlesener Besetzung und einem Budget von 25 Millionen Dollar nun filmisch umsetzte.

Obwohl es erst Newmans zweite Regie-Arbeit ist, erweist sie sich als handwerklich und stilistisch ungemein sicher, zudem setzt sie auf eine glasklare und passend suggestive Bildsprache. Beachtlich sind auch die stimmigen Wechsel der Handlungsorte und Zeitebenen. In der Gegenwart spielt sich die Handlung vor Gericht ab, vor dem sich Kya, von allen nur Sumpfmädchen genannt, verantworten muss. Die mitunter etwas ermüdenden Gerichtsszenen, die zum Teil aus zu langen Zeugenaussagen bestehen, stellen einen krassen Kontrast zum Rest des Films dar. In Sachen Stimmung, Setting und Tonalität.

Denn dieses biedere, ernste sowie im Hier und Jetzt angesiedelte Milieu verlassen wir bei den Rückblenden in die Vergangenheit. Sie zeigen ein ums Überleben kämpfendes Mädchen, verlassen von Mutter, Vater und Bruder, die einsam im einstigen Haus ihrer Familie mitten im Marschland zu überleben versucht. Ganz allein in der Wildnis lebt sie von und mit der Natur. Die kraftvollen, naturalistischen Szenen, die Daisy Edgar-Jones im Einklang mit Flora und Fauna der hiesigen Region und beim allmählichen Heranwachsen inmitten der unwirtlichen Sumpflandschaften zeigen, gehören zu den stärksten Momenten. Großartig: Edgar-Jones als fragile, verletzliche junge Frau, die das Vertrauen in die Menschen verloren hat. Gleichsam überzeugt auch Jojo Regina als blutjunge Kya zu Schulzeiten (hier gehen die Flashbacks noch weiter zurück), die in der Schule ebenso Missachtung und Ausgrenzung erfährt.

Interessant sind auch die klug in den Film eingestreuten Hinweise und bisweilen unauffälligen Subplots, die verdeutlichen: Kyas Hang und Liebe zur Natur wurden durch ihr Umfeld und die wenigen Menschen, denen sie vertrauen konnte, früh geprägt. Dazu zählen etwa ihr älterer Bruder, der seiner Schwester viel über die Natur, Steine, Muscheln und Pflanzen beigebracht hat. Und Tate (Taylor John Smith), Kyas früherer Nachbar. Zwischen den Beiden entwickelt sich eine zarte, glaubwürdige Lovestory, was nicht zuletzt am entrückten, kraftvollen Spiel von Smith liegt.

Weniger gelungen ist der Kriminal- bzw. Mordfall, bei dem es Newman leider nicht wirklich schafft, Spannung aufkommen zu lassen. Es geht viel zu simpel zu, der Fall erweist sich als wenig durchdacht und komplex. Hinzu kommt, dass Newman das Geschehen an dieser Stelle verlangsamt. Und ein langsames Erzähltempo bei einem Kriminalfall kann nur funktionieren, wenn das Szenario ausdifferenziert genug ist und sich als vielseitig erweist, inklusive falscher Fährten. All das lässt der Film hier vermissen.

 

Björn Schneider