Eine Klassikerverfilmung aus französischer Produktion bewegt die Massen: Allein im Herkunftsland strömten weit über neun Millionen Menschen in die Kinos, um in den Genuss der Neuinterpretation von Alexandre Dumas‘ ikonischer Rachegeschichte „Der Graf von Monte Christo“ zu kommen. Notwendig ist der Erfolg allemal. Denn ganz billig war das opulente Abenteuerepos von Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière offenkundig nicht. Wer saftige, flott inszenierte Historienspektakel liebt, kommt hier voll auf seine Kosten. Allzu viel Tiefgründigkeit sollte man von der Literaturadaption indes nicht erwarten.
Webseite: https://capelight.de/der-graf-von-monte-christo
Le Comte de Monte-Cristo
Frankreich 2024
Regie: Matthieu Delaporte, Alexandre de La Patellière
Drehbuch: Matthieu Delaporte, Alexandre de La Patellière
Cast: Pierre Niney, Bastien Boullion, Anaïs Demoustier, Anamaria Vartolomei, Laurent Lafitte, Patrick Mille, Julien De Saint Jean, Pierfrancesco Favino, Vassili Schneider u. a.
Länge: 178 Minuten
FSK: ab 12 Jahren
Verleih/Vertrieb: capelight pictures
Kinostart: 23. Januar 2025
FILMKRITIK:
Der aus bescheidenen Verhältnissen stammende Edmond Dantès (Pierre Niney) erklimmt im Jahr 1815 karrieretechnisch einen Berg. Mit der Ernennung zum Schiffskapitän ist der einstige Offizier endlich in der Lage, seine große Liebe Mercédès Herrera (Anaïs Demoustier) vor den Traualtar zu führen. Eben dort wird er dann aber verhaftet und abgeführt. Der Grund? Angebliche Beziehungen zum verbannten Ex-Kaiser Napoleon Bonaparte, der eine Verschwörung vorbereiten soll. Der Vorwurf des Hochverrats ist fingiert und führt trotzdem dazu, dass Edmond ohne Prozess auf der berüchtigten Gefängnisinsel Château d’If in einem finsteren Kerker landet.
Jahre des Leidens vergehen. Doch dann schaut plötzlich Zellennachbar Faria (Pierfrancesco Favino) durch ein Loch in der Wand, das er in müheseliger Arbeit gebuddelt hat. Der Italiener erzählt Dantès von einem legendären Schatz auf der Mittelmeerinsel Monte Christo und schlägt dem Mithäftling vor, gemeinsam einen Tunnel in die Freiheit zu graben. Während Faria dabei ums Leben kommt, gelingt Edmond dank eines kühnen Manövers tatsächlich die Flucht. Mehr noch: Er kann die Reichtümer, von denen er erfahren hat, bergen und will sie nutzen, um seine Feinde, die Schuldigen an seinem Schicksal zur Rechenschaft zu ziehen. Ein ausgeklügelter Plan nimmt langsam Gestalt an.
Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière scheinen besonderes Interesse am Werk des französischen Schriftstellers Alexandre Dumas zu haben. Schon zur 2023 veröffentlichten zweiteiligen Neuverfilmung seines Romans „Die drei Musketiere“ steuerten sie die Drehbücher bei. Im Fall von „Der Graf von Monte Christo“ nahmen sie nun zusätzlich auf dem Regiestuhl Platz. Inszenatorisch gibt es wenig zu meckern. Edmonds immerhin fast dreistündiger Rachefeldzug ist prächtig ausgestattet, verfügt über eine Reihe eindrucksvoller Landschaftsbilder und viele dynamische Kamerafahrten. Daneben tragen die Macher allerdings auch den intimen Aspekten der Handlung Rechnung. Auslöser der Verwicklungen sind schließlich der Schmerz, die Wut und die Kränkung des Protagonisten, weshalb es wiederholt Einstellungen gibt, in denen die Figuren, vor allem Edmond selbst, aus der Nähe eingefangen werden.
Das Tempo hält der Film allgemein hoch. Besonders gegen Ende steigt die Spannungskurve ordentlich an. Pathetische Momente kosten die Regisseure ohne Scham aus. Und auch die Schauspieler haben sichtlich Spaß, in die Wendungen und Intrigen einzusteigen. Im Angesicht der von Dantès losgetretenen Ränkespiele ist Glaubwürdigkeit derweil zweitrangig. Allzu genau sollte man besser nicht hinschauen. Denn für sein Vergeltungsvorhaben müssen schon erstaunlich viele Rädchen exakt ineinandergreifen. Sei’s drum. Dem Unterhaltungswert tut das keinen großen Abbruch.
Die politischen und die gesellschaftlichen Dimensionen des Stoffes – Napoleons Wirken im Hintergrund und Klassenprivilegien – reißt die Neuadaption an, führt sie aber nicht näher aus. Im Mittelpunkt steht ganz klar Edmonds persönliche Vendetta. Die destruktiven Ausmaße seiner Manipulationen werden im letzten Drittel stärker in den Fokus gerückt. Den Nebenfiguren, die Kritik an seiner Skrupellosigkeit und seiner Selbstherrlichkeit äußern, fehlt jedoch ein bisschen das Profil, um ihren Einwürfen echte Wucht zu verleihen. In die Abgründe der Erzählung richtig einzutauchen, wagt der Film leider nur selten – und fühlt sich deshalb etwas oberflächlich an. Wer sich davon nicht stören lässt, dürfte später dennoch halbwegs zufrieden aus dem Kinosaal kommen.
Christopher Diekhaus