Der Rosengarten von Madame Vernet

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In dieser französischen Komödie versucht eine passionierte Rosenzüchterin die Geschäfte der Familien-Gärtnerei wieder anzukurbeln. Dafür schreckt sie auch vor kriminellen Mitteln nicht zurück. „Der Rosengarten von Madame Vernet“ entführt mit malerischen Impressionen und erhabenen Bildern aus dem Burgund in die Welt der Rosenkreation. Pierre Pinauds („Sag, dass du mich liebst“) neuestes Werk ist aber mehr als ein simpler, leicht zu konsumierender Wohlfühl-Film, da er auch ernste Töne anklingen lässt und komplexe Themen wie Selbstfindung, elterliche Verantwortung und die Angst vor sozialem Abstieg berücksichtigt.

Website: www.neuevisionen.de/de/filme/der-rosengarten-von-madame-vernet-77

La fine fleur
Frankreich 2021
Regie: Pierre Pinaud
Buch: Pierre Pinaud, Fadette Drouard
Darsteller: Catherine Frot, Fatsah Bouyahmed, Olivia Côte, Melan Omerta, Marie Petiot
Länge: 94 Minuten
Verleih: Neue Visionen
Kinostart: 09.09.2021

FILMKRITIK:

Eve (Catherine Frot) war einst die weltweit erfolgreichste Rosenzüchterin. Ihr Vater, ein Rosenmeister, hat sie früh in die Kunst der Rosenzüchtung eingeführt. Seit vielen Jahren herrscht Eve nun allein über die Rosenfelder, Gewächshäuser und das Landhaus mit den Duftproben. Doch die goldene Ära des Unternehmens ist längst vorbei. Nicht zuletzt aufgrund der gestiegenen Konkurrenz durch Großzüchter wie Constantin Lamarzelle (Vincent Dedienne). Eve kann ihre Gärtnerei indes kaum am Leben erhalten. Da kommt ihre Sekretärin Vera (Olivia Côte) auf eine Idee: Sie engagiert Samir (Fatsah Bouyahmed), Nadège (Marie Petiot) und Fred (Melan Omerta), drei Obdachlose ohne Botanik-Kenntnisse – dafür mit weitreichender Diebstahl-Erfahrung. Gemeinsam mit Eve brechen sie bei Lamarzelle ein um eine seltene Rose zu stehlen. Denn die benötigt Eve für ihre nächste Züchtung. Gelingt es ihr, das Erbe ihres Vaters zu bewahren und sich gegen Lamarzelle durchzusetzen?

„Der Rosengarten von Madame Vernet“ ist eine Reise in die Welt der Botanik und Rosenkreation. Als Zuschauer darf man Eve über die Schulter schauen, wenn sie Rosen kreuzt, die Hybride erntet, akribisch ihr Zuchtbuch führt und an Wettbewerben teilnimmt. Mit Liebe und großer Sorgfalt widmet sie sich der Pflege und Aufzucht ihrer Blumen. Überhaupt erweist sich die Hauptfigur als Person, die einen Hang für das Schöne und Erlesene hat. Eve ist kultiviert, eloquent und eine strake, unabhängige Frau. Sie raucht auch schon mal Pfeife und schätzt klassische Musik ebenso wie Rotwein. Catherine Frot spielt Eve mit großer Ausdruckskraft und ihr gelingt es problemlos, das Charisma ihrer Figur bis zum Schluss aufrecht zu erhalten.

Der Humor-Anteil erhöht sich, als die drei Obdachlosen Teil der Handlung werden und im Rahmen eines Resozialisierungsprogramms in Eves Gärtnerei aushelfen. Gerade durch die Unterschiedlichkeit zwischen den Neuankömmlingen und Eve entstehen viele heitere Momente und spaßige Szenen. Zum Beispiel bei den ersten, noch unbeholfenen Feld- und Gartenarbeiten der Drei oder wenn Eve sich nach dem Botanik-Wissen ihrer neuen Mitarbeiter erkundigt. Einen Schwerpunkt legt Regisseur Pinaud auf die Beziehung zwischen Eve und dem jungen Fred, der im Gewächshaus zunächst lieber Sport treibt als zu arbeiten.

Zwischen ihnen entwickelt sich eine besondere Beziehung und Eve nimmt fast so etwas wie die Rolle der Ersatz-Mutter für Fred ein. Denn seine richtige Mutter hat sich von ihm abgewendet, was den mit einem ungewöhnlich sensiblen Geruchssinn ausgestatteten Mann aber nicht davon abhält, den Kontakt zu ihr zu suchen. Das alles schildert Pinaud ohne unnötigen Storyballast und mit großer Beiläufigkeit.

Einige Elemente und Szenen wirken etwas übertrieben und deplatziert, darunter die Heist-Movie-Anspielungen, wenn Eve und ihre Mitstreiter den Einbruch planen. Und schließlich den Diebstahl durchziehen, den Pinaud im Stil eines auf Spannung angelegten Raub-Thrillers und Heist-Films inszeniert – inklusive humorvoller Einschübe, die jedoch eher gewollt und gekünstelt wirken. Diese Momente passen nicht wirklich zur restlichen Stimmung des Films. Auch auf einige pathetische Dialoge und an Kalendersprüche erinnernde, floskelhafte Weisheiten hätte Pinaud verzichten können („Was wäre das Leben ohne Schönheit?“).

Dafür schwelgt er in prachtvollen Bildern der blühenden Rosenfelder und farbenprächtigen Blumen, wodurch „Der Rosengarten von Madame Vernet“ seinen optischen Reiz bezieht. Hinzu kommen lange Einstellungen der landschaftlichen Idylle im Burgund. Ernste Töne klingen an, wenn der Film – meist subtil – das Verhältnis von Eve zu ihrem Vater thematisiert. Und letztlich kann die Grundprämisse als Metapher auf die Übermacht geldgieriger Großkonzerne verstanden werden, gegen die es traditionsreiche, kleinere (Familien-)Unternehmen immer schwerer haben.

Björn Schneider