Der Waldmacher

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Eine Revolution der afrikanischen Forstwirtschaft – dies gelang dem australischen Agrarwissenschaftler Tony Rinaudo zusammen mit seinem Team seit den 80er-Jahren. Die Idee: verödetes Wüstengebiet wieder nutzbar zu machen und durch gezielte Aufforstung die Ernteerträge zu steigern. Wie Rinaudo dies gelang und wie steinig der Weg war, schildert die lehrreiche, unaufdringlich gefilmte Doku „Der Waldmacher“ von Volker Schlöndorff. Der Film öffnet die Augen für ungenutzte Möglichkeiten und ist von großem Einfühlungsvermögen für die Porträtierten und deren innere Befindlichkeiten geprägt.

Website: https://www.weltkino.de/filme/der-waldmacher

Deutschland 2021
Regie: Volker Schlöndorff
Darsteller: Tony Rinaudo
Länge: 87 Minuten
Kinostart: 07.04.2022
Verleih: Weltkino

FILMKRITIK:

Anfang der 80er-Jahre war es, als der australische Schriftsteller und Experte für Wiederaufforstung, Tony Rinaudo, in den Niger kam. Das Ziel des damals 24-Jährigen: die immer weiter voranschreitende Ausbreitung trockener Wüsten zu verhindern und die Hungersnot der Menschen zu bekämpfen. Doch Rinaudos erste Versuche der Aufforstung scheiterten. Bis er unter dem angeblich toten Boden ein riesiges Wurzelnetzwerk entdeckte. In der Folge war es möglich, aus alten Baumstümpfen und Wurzeln neue Bäume zu ziehen. Mit Erfolg: Eine nie dagewesene Begrünungsaktion nahm ihren Lauf. Und Rinaudo gelang es tatsächlich, ein Umdenken bei Tausenden Kleinbauern in ganz Afrika zu bewirken.

40 Jahre nachdem er die Region zum ersten Mal bereiste, kehrt der heute 64-Jährige, der 2018 den alternativen Nobelpreis erhielt, zurück in die Sahelzone. Wie dankbar die Menschen ihm sind und wie beliebt er ist, zeigt sich bereits bei seiner Ankunft. Die Dorfbewohner strahlen und lachen und kleben wenig später an seinen Lippen, wenn er mit ihnen über die Situation vor Ort spricht. Darüber, was durch das Anpflanzen bereits erreicht wurde (über 200 Millionen Bäume haben Rinaudo und sein Team in der Sahelzone gepflanzt), und was noch zu tun ist.

„Der Reichtum liegt hier bei euch im Land“, sagt der Agronom, der mit seiner Familie 17 Jahre im Niger gelebt hat, die Sprache spricht und den Menschen auf Augenhöhe begegnet. Sein Lebensziel war und ist, die „Wüste zu bekämpfen“. Um Landwirtschaft unter Bäumen möglich zu machen und so für mehr Erträge bei den Kleinbauern zu sorgen. Aufschlussreiche Vorher-Nachher-Satellitenbilder zeigen eindrucksvoll, wie sich einst ödes Trockenland in saftiges Grünland voller Bäume verwandelte.

Schlöndorff begleitet mit Neugierde und Bewunderung für das Land und die Menschen seinen Protagonisten auf seiner Reise. Zu früheren Weggefährten, an alte Wirkungsstätten oder zu Interviews bei lokalen Radiosendern, in denen Rinaudo seine Idee von der Nutzung der Wurzeln, des „unterirdischen Waldes“, erläutert. Es entsteht das Porträt eines Mannes, der sein Wissen und seine Fähigkeiten schon immer den Notleidenden und weniger Gebildeten zur Verfügung stelle – um ungenutzte Potentiale aufzuzeigen und das Leid der Armen zu verringern. Im Zentrum des Films steht aber keineswegs jedes Detail von Rinaudos Lebensgeschichte oder -leistung. Vielmehr legt „Der Waldmacher“ einen Schwerpunkt auf die gegenwärtige Situation, das Leben der Menschen in der Sahelzone und die Hoffnungen der Kinder und Jugendlichen.

Der Regisseur versorgt den Zuschauer aus dem Off zudem mit relevanten Infos und greift mitunter auch selbst ins Geschehen ein. Etwa beim Besuch einer Dorf-Schulklasse. Dabei erweist sich Schlöndorff wie gewohnt als interessierter, sympathischer Fragensteller, der mit viel Einfühlungsvermögen und Zurückhaltung vorgeht. In wenigen, aber stets passenden, sinnvollen Momenten stellt der Filmemacher außerdem historische, bisweilen religiöse Bezüge (Die Wiege der Menschheit) her und verweist auf eine der größten Tragödien in der Geschichte des Kontinentes: die Hungersnot in der Sahelzone der 70er- und 80er-Jahre. Sie war nicht zuletzt die Folge einer unnachgiebigen Dürreperiode. Und diese ließ sich auch auf die radikale Abholzung zurückführen.

Schlöndorff hält sich im letzten Drittel bei einer Bäuerin auf, die mit ihren sechs Kindern in einfachsten Verhältnissen lebt. Im Gespräch mit ihr kristallisieren sich weitere Sujets und Inhalte heraus, die „Der Waldmacher“ niemals oberflächlich verhandelt oder plump anspricht, sondern stattdessen subtil und elegant thematisiert. Darunter der tiefe Glaube, aus dem die Menschen Kraft schöpfen, ihre Lebensfreude und der Wunsch der Eltern, dass ihre Kinder Bildung erfahren und so ein besseres Leben führen können.

 

Björn Schneider