Die Dohnal

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Die unbeirrbare, österreichische Frauenrechtlerin Johanna Dohnal kämpfte sechzehn Jahre lang unter drei Kanzlern für die Rechte der Frauen. Regisseurin Sabine Derflinger setzt der unbequemen Heldin in der Männerbastion mit ihrem weitsichtigen Dokumentarfilm ein unbedingt sehenswertes Denkmal. Mit ihrem bewegenden filmischen Porträt einer Ikone der österreichischen Frauenbewegung gelingt es ihr ein Stück lebendige Frauengeschichte, über alle Grenzen hinweg, vor dem Vergessen zu bewahren. Einzigartig schafft sie damit eine Identifikationsfigur für eine gleichberechtigte Zukunft. Spannendes politisches Kino, das dazu beiträgt historisches Bewusstsein zu schärfen. Denn jeder Backlash in Sachen Emanzipation und Feminismus gibt der nächsten Generation das Gefühl, wieder von vorne beginnen zu müssen.

Website: www.eksystent.com

Österreich, 2019
Regie: Sabine Derflinger
Drehbuch: Sabine Derflinger
Kamera: Christine A. Maier, Eva Testor
Schnitt: Niki Mossböck
Darsteller: Annemarie Aufreiter, Johanna-Helen Dohnal, Ingrid Dohnal, Sonja Ablinger, Ferdinand Lacina, Elfe Semotan, Trautl Brandstaller, Brigitte Ederer, Hanna Herbst, Julia Herr, Käthe Kratz, Alice Schwarzer.
Länge: 104 Minuten
Verleih: eksystent Filmverleih
Kinostart: 13.5.2021

FILMKRITIK:

November 1979. Parteitag der SPÖ, Villach, 23 Uhr. Johanna Dohnal gibt ihr erstes Interview als Frauenstaatssekretärin. Ein ORF-Journalist kommt gleich zur Sache. „Was ist das für ein Gefühl?“, will er wissen. Sie antwortet schnell und direkt: „Überhaupt kein Gefühl im Moment. Außer, dass es hier sehr heiß ist.“ Doch er lässt nicht locker: Ob sie sich als Frau wie jeder andere Staatssekretär auch fühlen werde? „Ich weiß überhaupt nicht, wie sich ein Staatssekretär fühlt. Ich glaube, so wie jeder andere Mensch auch. Aber die Frauenfrage ist eine gesellschaftspolitische und nach meiner Auffassung keine Frauenfrage.“

Und damit zeigt die ehemalige, erste österreichische Frauenministerin klar ihren Standpunkt. Sie will sich nicht in eine Ecke drängen lassen. Der Kampf für Frauenrechte ist für sie gleichbedeutend mit dem Kampf für eine Gesellschaft mit menschlichem Antlitz. Als uneheliches Kind einer ledigen Mutter arbeitete sie sich aus armen Verhältnissen im Nachkriegsösterreich in der sozialistischen Partei hoch. Bei der Grossmutter aufgewachsen fühlte sie sich als Außenseiterin. Die Freiheit jenseits von Normen zu denken und zu fühlen, behält sie selbst nach ihrem Aufstieg in der österreichischen Politik bei.

Ihre Bestellung in den 1970er Jahren unter Bruno Kreisky war damals eine Sensation. Ihre frühzeitige Abberufung gegen ihren Willen durch die eigene Partei eigentlich ein Skandal. Denn nach sechszehn Jahren Regierungstätigkeit hatte sie ihren Schwung nicht verloren. Trotzdem wurde sie im März 1995 von Kanzler Franz Vranitzky aus dem Amt gedrängt. Geblieben sind ihre Errungenschaften, die heute oftmals wieder zur Diskussion stehen, was den Film zusätzlich brisant macht. Dabei verblüfft nach wie vor die Fülle an Initiativen, Gesetzen, Regelungen und Einrichtungen, die direkt auf ihre Initiative zurückgehen. Das reicht von der Einführung der Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe über die Anrechnung von Kindererziehungszeiten für die Pension bis zu den ersten Frauenhäusern und einem Gesetz gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.

Vor dem Hintergrund patriarchal geprägter Machtverhältnisse bündelte die feministische Visionärin die Kräfte aller österreichischen Frauenorganisationen, von der Katholischen Frauenbewegung bis zur Aktion Unabhängiger Frauen, um öffentlichen Druck für gemeinsame Anliegen zu erzeugen. So setzte sie die Gründung und dauerhafte Finanzierung der Wiener Frauenhäuser durch. Sabine Derflingers berührende Doku spiegelt das politische Klima des Landes bis hin zum neoliberalen Umschwung trefflich. Mitreißend bebildert die Grimme-Preisträgerin den weiten Weg den Johanna Dohnal im Kampf gegen alle Widerstände und Männerbünde gehen musste. Ein Stück lebendige, inspirierende Frauengeschichte, die den Blick schärft.

Luitgard Koch