Die Kunst der Stille

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In seiner Dokumentation „Die Kunst der Stille“ beleuchtet Maurizius Staerkle Drux das Leben des großen Pantomimen Marcel Marceau – von den Anfängen über seine Zeit bei der französischen Resistance bis zu den Momenten, da er Weltruhm erlangte. Dabei kommen Wegbegleiter, aber auch seine Familie zu Wort. Zudem ist der Film für den Autor und Regisseur auch die Möglichkeit, seinem tauben Vater näherzukommen, für den Pantomime die Kunstform ist, die seiner Lebenswirklichkeit am nächsten kommt.

Website: https://www.wfilm.de/die-kunst-der-stille/

Dokumentarfilm
Schweiz / Deutschland 2021
Regie + Buch: Maurizius Staerkle Drux
Länge: 82 Minuten
Verleih: W-Film
Kinostart: 7.7.2022

FILMKRITIK:

Mit seinem Film „Silent Movie“ aus dem Jahr 1976 zelebrierte der Spaßmacher Mel Brooks die Kunst des Stummfilms. Bei ihm wurde das der lauteste Stummfilm aller Zeiten, Dialoge gibt es aber nicht. Nur ein Mensch darf ein Wort sagen: Marcel Marceau. Der Ruhm des französischen Pantomimen war damals bereits derart groß, dass ein Wort von ihm, dem großen Mann, der keine Worte benötigt, für einen immensen Lacher herhielt.

In „Die Kunst der Stille“ befasst sich Maurizius Staerkle Drux mit dem Mann, der Pantomime praktisch im Alleingang groß gemacht hat. Er war schon in jungen Jahren ein begnadeter Imitator. Als er Charlie Chaplin im Kino sah, besorgte er sich Anzug, Melone und Stock und spazierte durch Straßburg. Marcel Marceau, der damals noch Marcel Mangel hieß, ließ die Leute glauben, Charlie Chaplin sei zu ihnen gekommen.

Während des Krieges wurde sein Vater verschleppt. Er änderte seinen Namen, um die jüdischen Wurzeln zu verschleiern und schloss sich der Resistance an. Die Rettung einiger Kinder war auch die Basis des im letzten Jahr gestarteten Films „Resistance“, der das Ganze natürlich dramatisch aufgepeppt hat. Dabei war Marceaus Leben dramatisch genug, und das nicht nur in den Jahren des Zweiten Weltkriegs.

Mit seiner Kunst begeisterte er nach dem Krieg weltweit. Auch in Deutschland trat er auf. Seine Tochter, die bedauert, dass ihr Vater starb, noch bevor sie die Reife hatte, wirklich profunde Gespräche mit ihm zu führen, glaubt, dass es ein merkwürdiges Gefühl für ihn gewesen sein muss. Wenn er Besuchern aus dem deutschen Publikum die Hände schüttelte, muss er sich wohl immer unwillkürlich gefragt haben, ob das die Hand des Henkers seines Vaters war. Aber Marceau glaubte an die Kraft des Humors, an das Lachen, an die Stille seiner Kunst, die auch die härtesten Herzen berühren konnte.

Der Film ist aber nicht nur die Geschichte von Marcel Marceau, er ist auch die Geschichte seines Vermächtnisses. Sein Enkel ist in seine Fußstapfen getreten, seine Tochter hat ein Konservatorium für Künstler. So wie dies die Geschichte von Marceau und seiner Familie ist, ist es auch die Geschichte des Regisseurs und der seinen. Immer wieder kommt sein Vater zu Wort und darüber ergibt sich ein größeres Verständnis – für die Kunst des Marcel Marceau, aber auch für den eigenen Vater. Das macht „Die Kunst der Stille“ auch zu einem sehr persönlichen Film – und das spürt man.

Peter Osteried