Die Welt wird eine andere sein

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Auch mit ihrem dritten Film wurde Anne Zohra Berrached zur Berlinale eingeladen, wo ihr Film „Die Welt wird eine andere sein“ in der Panorama-Sektion gezeigt wurde. Das zweistündige Drama erzählt von einer Frau, die sich in einen Mann verliebt, der sich bald radikalisiert und einer der Täter des Anschlags vom elften September wird. Eine genau beobachtete Charakterstudie, die zwangsläufig und bewusst sehr passiv ist.

Website: www.neuevisionen.de/de/filme/die-welt-wird-eine-andere-sein-75

Die Welt wird eine andere sein (aka Die Frau des Piloten)
Deutschland 2019
Regie: Anne Zohra Berrached
Buch: Anne Zohra Berrached & Stefanie Misrahi
Darsteller: Canan Kir, Roger Azar, Darina Al Joundi, Hans Jürgen Alf, Nicolas Chaoui, Ceci Chuh, Aziz Dyab
Länge: 118 Minuten
Verleih: Neue Visionen
Kinostart: 12.8.2021

FILMKRITIK:

Schon in ihren ersten beiden Filmen „Zwei Mütter“ und „24 Wochen“ erzählte die deutsch-algerische Regisseurin Anne Zohra Berrached aus dezidiert weiblichem Blick, eine Perspektive, die sie in ihrem dritten Film noch radikaler einnimmt. Sie erzählt von der Beziehung zwischen der Türkin Asli (Canan Kir) und dem aus dem Libanon stammenden Saeed (Roger Azar), die beide in Deutschland leben, studieren, säkular leben und so unabhängig sind, dass sie sich den Wünschen und Vorstellungen ihre Eltern widersetzen.

Etwa Mitte der 90er Jahre setzt „Die Welt wird eine andere sein“, ohne das Berrached deutliche Marker setzen würde. Eine gewisse Zeitlosigkeit durchzieht das Geschehen, erst zum Ende wird dezidiert gesagt, was von Anfang an zu ahnen ist: Dass es sich bei Saeed um einen der Attentäter des Anschlags des elften September handelt. In Wirklichkeit hieß er Ziad und seine Frau Asli, die Namensänderung hat nicht nur mit Persönlichkeitsrechten zu tun, sondern deutet auch an, dass es hier nicht um eine spezielle, sondern eine allgemeine Geschichte gehen soll. Und zwar die Geschichte einer schleichenden Radikalisierung, genauer gesagt: Das nicht erkennen, das nicht wahrhaben wollen selbiger.

„1. Jahr“, „2. Jahr“ usw. heißen die Kapitel, in denen die Beziehung von Asli und Saeed beschrieben wird, die schnell von Konflikten geprägt wird. Schon im zweiten Jahr, kurz nach dem das Paar die Hochzeit von Freunden besucht hat, verweigert Saeed aus religiösen Motiven Sex, seine Radikalisierung hat längst begonnen. Bald verbringt er immer mehr Zeit in Hamburg, wird sein Interesse am Fliegen größer, seine Tiraden gegen eine angebliche jüdische Weltverschwörung lauter.

Doch so sehr sich Asli über manche Auswüchse wundert, nicht alle Entscheidungen Saeeds nachvollziehen kann: Sie bleibt ihm treu, auch als er zum Studium nach Amerika zieht und bald in Florida landet. Und eines Tages ist Saeed verschwunden.

Als Studie in Naivität könnte man „Die Welt wird eine andere sein“ betrachten, optimistischer formuliert: Ein Film über blinde Liebe. Denn auch wenn jede Figur in Aslis Umfeld zunehmende Zweifel ob des seltsamen Verhaltens Saeeds hegt, der Zuschauer ohnehin schon längst ahnt, welchen Weg die Figuren nehmen werden: Asli kann oder will nicht sehen, in welche Richtung sich das Wesen ihres Mannes entwickelt. Enervierend wirkt ihre Naivität oft, verstärkt durch die bewusste Anlehnung an reale Personen und den Anschlag des elften Septembers. Auch wenn man genaue Details nicht kennt, Orte und Verbindungen wie „Hamburg-Florida-Flugschule“ dürften jedem Menschen bewusst sein, so dass trotz des Versuchs, nicht konkret, sondern universell zu erzählen, stets klar ist, wer hier gezeigt, was hier erzählt wird.

Asli, die Hauptfigur von „Die Welt wird eine andere sein“ ist dementsprechend passiv, von Anfang an blind für die Wahrheit, während der eigentliche Wandel außerhalb der Bilder, in der Persönlichkeit Saeeds stattfindet. Der taucht alle zehn, fünfzehn Minuten auf, hat erneut eine Stufe der Radikalisierung genommen, eine Entwicklung die unverkennbar ist, für alle Menschen außer Asli.

Eine gewisse radikale Konsequenz hat dieser Ansatz, den Anne Zohra Berreched konsequent bis zum Ende durchzieht, auch wenn sich die Erkenntnis nach gut zwei Stunden Drama auf die Formel reduzieren lässt, das Liebe blind macht.

Michael Meyns