Dream Horse

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Mit originellen Charakteren, viel Humor und tollen Dialogen ist der Film ein echtes Kino-Highlight, nicht nur für Fans von Pferden und BritComs. Rund um die wunderbare Toni Collette in der Hauptrolle entspinnt sich eine märchenhafte und tatsächlich beinahe wahre Komödie über walisische Provinzstädter, die gemeinsam ein Rennpferd züchten, mit dem sie die Profiszene aufmischen. Ein Kampf der Kleinen gegen die Großen, Arm gegen Reich, sehr amüsant und very British: Die arroganten Lords und Ladys sind schockiert von den Aktivitäten der ambitionierten Hobby-Pferdezüchter, die ihre Ersparnisse zusammenlegen, um ein Rennpferd im Kleingarten aufzuziehen. Wenn das mal gutgeht!

Webseite: www.weltkino.de/filme/dream-horse

Großbritannien 2020
Regie: Euros Lyn
Drehbuch: Neil McKay
Darsteller: Toni Collette, Damian Lewis, Owen Teale, Joanna Page
113 Minuten
Verleih: Weltkino Filmverleih
Kinostart: 12. August 2021

FILMKRITIK:

„Das kann doch nicht alles gewesen sein“, denkt sich Jan Vokes, wenn sie ihren trägen Mann Brian (Owen Teale), ihre öde Umgebung – eine heruntergekommene Kleinstadt in Wales –, ihren Kassenjob im Supermarkt und als Tresenkraft im Pub betrachtet. Die Kinder sind aus dem Haus, und mit ihnen, so scheint es, ist auch der letzte Rest an Lebensfreude von ihr gewichen, zumal es mit den alten Eltern auch immer mehr bergab geht. Aber so schnell gibt Jan nicht auf. Aus nahezu heiterem Himmel verkündet sie ihre Absicht, ein Rennpferd aufzuziehen, um sich selbst und ihrer gesamten Umgebung wieder zu etwas mehr Pep, Aufregung und nebenbei zu einem Haufen Geld zu verhelfen. Gesagt, getan – zum großen Rennpferdtreffen im Pub finden sich tatsächlich ein paar Leute ein, die mit wachsendem Erstaunen Jans Pläne verfolgen und sie dabei unterstützen. Sie gründen eine Art Kooperative, und Jan hat alles bestens vorbereitet: Sie hat schon eine Stute gefunden, Rubelle – als künftige Mutter eines späteren Siegerpferdes. Es handelt sich also um ein eher langfristiges Projekt, vor allem aus finanziellen Gründen. Rubelle bringt tatsächlich programmgemäß ein niedliches Fohlen zur Welt: Dream Alliance soll der kleine Hengst passenderweise heißen, der liebevoll behütet in einem Kleingarten aufwächst und später – dank der Initiative seiner Besitzer - ein professionelles Training erhält und tatsächlich eine Rennkarriere startet.

Mit vielen überraschenden Wendungen – und mit einigen vorhersehbaren, die aber aufgrund ihres Unterhaltungswertes akzeptabel sind – kann Neil McKays Drehbuch vor allem dank einer absurden Geschichte voller Hindernisse überzeugen, wobei es einige Momente gibt, bei denen im wahrsten Sinne des Wortes kein Auge trocken bleibt. Sei es vor Lachen oder vor Weinen. Da treffen Komik und Wortwitz auf anrührende Momente, und bei beidem kann durchaus mal ein Tränchen aus dem Auge kullern. Die wesentliche Zutat aber ist der originelle Cast, lauter geschätzte Originale aus dem innerbritischen Universum merkwürdiger oder sehr, sehr merkwürdiger Typen einschließlich arroganter Upper-Class-Schnösel. Dennoch wird hier nicht rumgealbert, und schließlich ist es auch der liebevolle Blick auf die Kleinstadtgesellschaft, angeführt von Jan, der die Dramödie so sympathisch macht. Unter der Regie von Euros Lyn drehen die Stars der britischen TV- und Filmszene so richtig auf, werden aber dennoch immer wieder von Toni Collette in den Schatten gestellt, die einerseits sehr komisch sein darf und andererseits ab und an unter ihrer taffen Schale eine Sensibilität zeigt, die sehr, sehr berührend ist.

Sie zeigt den anderen, wo’s langgeht, und nicht nur deshalb, weil sie einer ganzen kleinen Stadt Hoffnung macht. Wenn sie und die anderen Hobbyzüchter zur Rennbeobachtung einlaufen, klappt den Lords und Ladys der Unterkiefer runter wie weiland bei „My Fair Lady“ mit Audrey Hepburn in der berühmten Rennbahnszene. Endlich kommt mal ein bisschen Leben in die Bude! Da macht es auch nichts, dass die Musik manchmal ein bisschen schwülstig ist oder dass die an sich temporeich erzählte Story zwischendurch ab und an eine ruhigere Gangart wählt. Dazu gibt es wunderbare Bilder: vom Kleinstadtleben im ehemaligen walisischen Bergarbeiter-Revier und vor allem von den Rennen, die unglaublich gut gefilmt sind. Das alles ist sehr unterhaltsam, und die Kinozeit vergeht wie im Fluge.

Es ist immer wieder schön zu sehen, wie die Kleinen sich gegen die Großen wehren – der britische Film ist reich an Beispielen dafür: „The Full Monty“ oder „Calender Girls“ sind nur zwei von vielen. Auch hier werden mit einfachsten Mitteln die imperialen Truppen in Gestalt der traditionell konservativen Pferdezüchter von den ahnungslosen, aber liebenswerten Provinzlern ausgespielt. Ein Märchen? Keinesfalls, sondern eine wahre Geschichte! Deshalb sollte man unbedingt auch den Abspann sehen!

Gaby Sikorski