Echo

Zum Vergrößern klicken

Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit. Das deutsche Thema also, das in Mareike Wegeners Spielfilmdebüt „Echo“ durch die gleichnamige Figur aus der griechischen Mythologie zu einer weitreichenden, assoziativen Erzählung wird, die neben vielem anderem auch als Spiel mit typischen Krimimotiven verstanden werden kann. Seine Weltpremiere feierte der Film bei der Berlinale in der Perspektive Deutsches Kino.

Deutschland 2022
Regie & Buch: Mareike Wegener
Darsteller: Valery Tscheplanowa, Ursula Werner, Andreas Döhler, Felix Römer, Oskar Keymer, Marina Galic
Länge: 98 Minuten
Verleih: Grandfilm
Kinostart: demnächst

FILMKRITIK:

Von einem Bombenanschlag beim Einsatz in Afghanistan kehrt die Kriminalkomissarin Saskia Harder (Valery Tscheplanowa) traumatisiert zurück. Zurück in der Heimat führt sie ein Fall nach Friedland, wo im Moor eine Leiche gefunden wurde. Zusammen mit dem Dorfpolizisten Alfons Tenhagen (Andreas Döhler) und später der Moormeisterin Edith Telaar (Ursula Werner), versucht Harder Antworten zu finden.

Und stößt dabei auf ein Geflecht an Verweisen, Orten der deutschen Vergangenheit, skurrilen Typen: Ein Zwangsarbeiterlager war im Wald angesiedelt, hunderte Gefangene wurden Ende des Krieges ermordet. Im Burggraben des kleinadligen Lorenz von Hüning (Felix Römer) wird wiederum eine Fliegerbombe gefunden, das Überbleibsel eines Angriffs der Alliierten.

Und über allem steht die Figur der Echo, die in der griechischen Mythologie von der Zeus-Gemahlin Hera zur Sprachlosigkeit verdammt wurde und nur noch die letzten Worte wiederholen kann, die an sie gerichtet werden.

Rosafarbener Rauch zieht sich leitmotivisch durch den Film, den Kommissarin Harder meist dann sieht oder spürt, wenn sie mit dem Tod konfrontiert wird. Eine leicht irreale Atmosphäre durchzieht Mareike Wegener Spielfilmdebüt „Echo“ durch dieses Motiv, so realistisch das Setting und der Ansatz der Erzählung auch wirkt, stets ist ihr Film nah am Mythologischen.

Natürlich auch durch den Schauplatz des Moors und des Waldes, zweier Orte, die im deutschen Selbstverständnis mal magische, mal unheimliche Orte sind, Orte, an denen man mit den Ängsten seines Unterbewusstseins konfrontiert wird, aber auch einem Ort, an dem die Geschichte konserviert werden kann.

Von Trauer und Schuldgefühlen erzählt „Echo“, vom Versuch, sich mit der eigenen Vergangenheit, bzw. der seines Landes auseinanderzusetzen. Vielfältige Linien ziehen sich durch den mehr assoziativ als streng komponierten Film, der Krieg etwa, der vom Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart reicht, da Deutschland sich in Afghanistan im Einsatz befindet, bzw. befand, diesen Einsatz jedoch tunlichst nicht als Krieg bezeichnen wollte. Im Dorf selbst wiederum zeigt sich der schwierige Umgang mit der Vergangenheit. Während im Wald die Überreste des Zwangsarbeiterlagers vermodern, wurde ein Gedenkstein für die Opfer nach zahlreichen Schändungen durch Rechte Kreise verschämt begraben.

So komplex das Spiel mit Verweisen und Assoziationen auch ist: „Echo“ ist kein angestrengter Film. In präzise komponierten Bildern, die im Normalformat 4:3 gefilmt sind, in dem früher jeder TV-Krimi gefilmt war, spielt Mareike Wegener mit Motiven des liebsten deutschen Genres. Doch im Gegensatz zum Standard-Tatort steht hier nicht die Lösung eines Falles im Mittelpunkt: Immer mehr gerät die Frage, wer die Moorleiche denn nun ist, in den Hintergrund, wird „Echo“ zu einem ironischen Porträt deutscher Befindlichkeiten.

 

Michael Meyns