End of Season

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Elmar Imanov ist aus Aserbaidschan, hat jedoch an der Filmschule in Köln studiert. Was er dort lernte, brachte er dann zurück in die Heimat, und das mit einem Film, unter dessen Oberfläche es brodelt. Imanov erzählt von einer Familie, die längst keine Einheit mehr ist. Der Vater ist ein gebrochener Mann, die Mutter von ihrem Leben erstickt, und der Sohn eine Präsenz, die auf den ersten Blick freundlich erscheint, aber alles andere als das ist.

Website: https://www.realfictionfilme.de/end-of-season.html

Aserbaidschan / Georgien / Deutschland 2019
Regie: Elmar Imanov
Buch: Anar Imanov, Elmar Imanov
Darsteller: Rasim Jafarov, Mir-Mövsüm Mirzazade, Zulfiyye Qurbanova
Länge: 93 Minuten
Verleih: Real Fiction Filme
Kinostart: 17. Februar 2022

FILMKRITIK:

Samir und Fidan sind Mitte Dreißig und schon seit Jahren verheiratet. Mit ihrem 18-jährigen Sohn Mahmud leben sie in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung. Samir ist arbeitsloser Schauspieler, der längst die Hoffnung aufgegeben hat, daran noch etwas zu ändern, seine Frau Kinderärztin. Mahmud studiert und hat Probleme mit seiner Freundin, weil er auch mit anderen schlafen will. Die Familie will einen gemeinsamen Sonntag am Strand verbringen. Doch was früher Familienidyll war, fördert nun nur die Probleme zu Tage – im Großen, aber auch im Kleinen.

Imanov scheint mit seinem Film den Konflikt zwischen der klassischen Art des Familienlebens, in dem alle an einem Strang ziehen, und dem Aufstieg in die Mittelklasse, mit dem persönliche Freiheit und ein stärkerer Drang zum Individualismus kommen, auf den Punkt bringen zu wollen. Die Familie seines Films ist längst keine Einheit mehr. Im Grunde hat man das Gefühl, dass hier jeder in seiner persönlichen Vorhölle ist und mit Menschen zusammenleben muss, die er gar nicht mehr mag.

Die Mikrogesellschaft einer Familie zerfasert zusehends, und das in einer kleinen Wohnung in einem riesigen Block, der die Anonymisierung der Gesellschaft noch verdeutlich. Imanov spielt sehr stark mit Bildern, deren Symbolkraft die Geschichte unterstützen. Zugleich konzentriert er sich auf seine drei Hauptfiguren, die jede(r) für sich einen Punkt im Leben erreicht hat, in der die Hölle tatsächlich die anderen sind.

Samir ist vom Leben enttäuscht und lässt das passiv-aggressiv an seiner Frau aus, Fidan hat einen in der Gesellschaft angesehenen Job, ist aber zuhause nur Teil des Inventars. Zudem traut sie sich nicht, ihre Gefühle offen auszusprechen. Mahmud will, was er will – und er will alles. In seiner Figur personifiziert sich die pure Gier. Alles soll nach seinem Willen funktionieren, aber der junge Mann stößt an seine Grenzen, denn in der Welt da draußen gibt es den gleichen Menschenschlag wie ihn, der aber am längeren Hebel sitzt.

„End of Season“ ist ein Film über den konstanten Zustand der Unzufriedenheit. Die Protagonisten leben in einem Kokon des Schmerzes, allein, isoliert, letztlich am Ende und ohne die Aussicht auf Besserung.

Peter Osteried