Endlich Unendlich

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Ist Sterben unausweichlich? Momentan ohne Frage, aber ob das auch in Zukunft so sein wird ist eine Frage, die sich nicht viele, aber sehr interessante Menschen stellen. Sie stehen im Mittelpunkt von Stephan Bergmanns Dokumentarfilm „Endlich Unendlich“, berichten über ihre Forschung, erläutern den Begriff Transhumanismus und lassen das kaum Vorstellbare möglich erscheinen.

Deutschland/ Österreich 2021
Regie: Stephan Bergmann
Dokumentarfilm

Länge: 90 Minuten
Verleih: Real Fiction
Kinostart: 16. Juni 2022

FILMKRITIK:

„Forever Young“ sang Alphaville, „Who wants to live forever“ fragte einst Queen und auch in der Populärkultur ist die Suche nach dem ewigen Leben ein beliebtes Topos, von der zentralen Bibel-Story um die Auferstehung Jesus Christus ganz zu schweigen. Doch das sind alles Hirngespinste, schließlich ist es ein nicht zu ändernder Teil der menschlichen Existenz, zu sterben. Oder?

Die Menschen, die im Mittelpunkt von Stephan Bergmanns Dokumentarfilm „Endlich Unendlich“ stehen, sind anderer Meinung. Es sind Wissenschaftler, Forscher, Intellektuelle, die über Methoden nachdenken, Techniken entwickeln, Pillen erforschen, die den Menschen von der Notwendigkeit zu sterben befreien sollen.

Liz Parrisch etwa, Gründerin des Biotech-Unternehmens BioViva, glaubt daran, das Altern nichts anderes als eine Krankheit ist. So wie es früher praktisch selbstverständlich war, dass Menschen an Infektionskrankheiten sterben, dann ein Tod durch Krebs unvermeidlich schien, könnte auch das Altern der Zellen irgendwann als etwas beschrieben werden, gegen das es Mittel gibt. Die Medizin hat sich im Lauf der Zeit schließlich immer weiter entwickelt, neue Behandlungsmethoden wurden entdeckt, neue Medikamente entwickelt, die viele einst unweigerlich tödliche Krankheiten behandelbar gemacht oder gar besiegt haben. Mit dem Krebs ist das zwar noch nicht gelungen, aber gerade durch die Forschung mit den im Zuge der Covid-Impfstoffe einer breiten Öffentlichkeit bekanntgewordenen mRNA-Impfstoff, könnte in diesem Bereich bald ein Durchbruch gelingen.

Milliarden werden in die Forschung an diesen Methoden gesteckt, kein Wunder, länger jünger zu bleiben, keine Altersflecken zu bekommen, länger fit und aktiv zu sein sind Ziele, die gerade in Zeiten der Selbstoptimierung, des exzessiven Jugendwahns gute Geschäfte versprechen. Und auch wenn das Besiegen des Sterbens den meisten Menschen momentan (noch) als absurde Unmöglichkeit erscheinen mag: Auch Atomwaffen, Raumfahrt, das Internet sind Entwicklungen, die Jahrhunderte, manchmal auch nur Jahrzehnte vorher kaum denkbar erschienen, wer viel also mit Sicherheit sagen, was in der Zukunft möglich sein wird?

Die Möglichkeit der Unsterblichkeit führt allerdings zu weiteren Fragen und Problemen: Würde dies nicht die ohnehin schon überbevölkerte Erde erst recht über den Abgrund führen? Würde es die Rentensysteme nicht zur Implosion bringen, wenn Menschen nicht mehr nur zehn oder zwanzig Jahre eine Rente beziehen, sondern mehrere hundert? Und was soll man mit der ganzen Zeit anfangen, die man bei einem unendlichen Leben hätte? Würde man sich nicht langweilen, wenn man 300 oder 400 Jahre auf Erden weilt?

Dass diese Fragen in Stephan Bergmanns interessantem, zu Diskussionen anregenden Dokumentarfilm eher am Rande behandelt werden überrascht nicht. Ebenso wenig, dass ein Großteil der vorgestellten Forscher und Transhumanisten aus den USA stammen. Hier gibt es tatsächlich auch die Möglichkeit, verstorbene Menschen – oder auch den Schoßhund! – einzufrieren, auf die Zukunft und den technologischen Fortschritt zu hoffen, um den geliebten Partner wieder aufzuwecken. Schöne neue Welt…

 

Michael Meyns