Eternal You – Vom Ende der Endlichkeit

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Programme, die die sogenannte „Künstliche Intelligenz“ nutzen, werden mit atemberaubender Geschwindigkeit entwickelt. Praktisch im Tagesrhythmus werde neue Bild- und Textgeneratoren vorgestellt, doch ChatGPT und Co. sind nur die Spitzen einer ganzen Eisberg-Flotte. Wer immer noch „KI betrifft mich nicht“ denkt, wird spätestens beim Verlassen des Kinos nach „Eternal You – Vom Ende der Endlichkeit“ seine Meinung geändert haben. Denn diese Dokumentation erzählt von Unternehmen, die mit Hilfe von KI Tote wieder zum Leben erwecken wollen. Natürlich nur in der digitalen Welt. Vorerst.

Webseite: http://farbfilm-verleih.de/filme/eternal-you-vom-ende-der-endlichkeit/

Deutschland, USA 2024
Drehbuch und Regie: Hans Block & Moritz Riesewieck
Kamera: Tom Bergmann, Konrad Waldmann
Musik: Gregor Keienburg & Raffael Seyfried

Länge: 87 Minuten
Verleih: Farbfilm Verleih
Start: 20. Juni 2024

FILMKRITIK:

Wenn man weiß, wie KI-Chatbots – ChatGPT oder Microsoft’s Copilot – funktionieren, dann ist das ewige Leben in der digitalen Welt einfach zu verwirklichen: Diese Programme, mit denen man sich via Tastatur oder sogar per Spracheingabe unterhalten kann, werden „trainiert“, d. h. sie werden mit den Äußerungen und der Redeweise wirklicher Menschen gefüttert, bis sie so echt wie echte Menschen klingen. Und moderne KI-Systeme können die Rollen von realen Menschen problemlos annehmen, vorausgesetzt, es steht entsprechendes „Trainingsmaterial“ zur Verfügung. „Schreibe eine Kurzgeschichte im Stil von Hemingway!“ – das macht ChatGPT, ohne mit der digitalen Wimper zu zucken, quasi aus dem virtuellen Handgelenk heraus. Ein Gespräch zu führen, in dem die KI so tut, als wäre sie ein verstorbener Mensch, ist demzufolge technisch kein Problem.

Problematisch wird jedoch die ethische Seite der Geschichte, denn natürlich ist das digitale Wiederbeleben eines Menschen grundsätzlich eine heikle Angelegenheit. Hier wird in extremer Weise mit den Gefühlen trauernder Hinterbliebener umgegangen, und je besser die KI ihren Job macht, umso aufwühlender ist die Erfahrung für die Hinterbliebenen. Dem Missbrauch ist natürlich ebenfalls Tür und Tor geöffnet.

Hans Block und Moritz Riesewieck erzählen die Geschichten einiger Menschen in verschiedenen Ländern, die auf diese Weise Kontakt mit Verstorbenen aufzunehmen versucht haben. Die Bandbreite ist riesig: Sie reicht vom abgeklärten User, dem (fast) immer bewusst ist, dass er nicht mit seiner verstorbenen Freundin, sondern mit einer Software-Simulation kommuniziert, bis zu einer von ihren Gefühlen überwältigten Mutter, die beinahe zusammenbricht, als sie in einer virtuellen Welt auf den lebensechten Avatar ihrer toten Tochter trifft.

Block und Riesewieck haben keine Vorurteile gegen diese sich entwickelnde Technologie, sie schüren sie auch nicht. Sie stellen, ohne zu werten, die Menschen vor, die auf diesem Weg Trost und Erlösung suchen, ebenso diejenigen, die dazu die nötige Software entwickeln. Das Für und Wider wird gegenübergestellt und vor allen Dingen werden die problematischen Möglichkeiten dieser neuen Technologie nicht verschwiegen. Wenn die KI den flapsig-respektlosen Humor eines Verstorbenen kongenial nachmacht und einer fassungslosen Hinterbliebenen auf die Frage, wo er sich denn gerade befinde, mit „In der Hölle“ antwortet, wird die Problematik des ganzen Unterfangens mit einem Schlag deutlich.

„Eternal You“ gewährt einen faszinierenden und erhellenden Blick auf den Stand der Dinge in Sachen KI. Die Dokumentation regt stark zum Nachdenken an und ermöglicht es dem Publikum, einen eigenen Standpunkt zu entwickeln, der irgendwo zwischen Faszination und durchaus unwohligem Grusel liegen durfte. Noch überwiegt die Skepsis, denn die Algorithmen, die die Toten zum Leben erwecken, verfügen nicht einmal annähernd über wirkliche Intelligenz. Allerdings lässt die Äußerung eines Software-Entwicklers aufhorchen, was die Zukunft anbelangt: „Wir können biologische Prozesse simulieren. Das ist der Schlüssel, etwas Lebensähnliches zu erschaffen.“

 

Gaby Sikorski